Kurzgeschichte über Berge, Wiesen, Bauern, Hexer und Löwen

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  • Beitrag zuletzt geändert am:März 29, 2024
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Datum: 23. Juni 2020
Wetter: Sonne pur, leichter Wind (hält die Fliegen und Brämen auf Distanz)


 

Wir sind mit Hannibal in die Bergen gefahren. Ziel unserem 3-tägigen Ausflug ist das Napfgebiet. Wir wollten seit einer Ewigkeit wieder in dieser Region zurückkommen. Für Fabrizio ist eine Reise zu seinen ersten wackligen Schritten als Goldgräber, für Sabine eine kurze Reise zu ihren Wurzeln, da Sabine’s Vater aus dem Entlebuch stand.

Unter www.nomady.ch fanden wir einen Bauernhof, der für ein Taschengeld bereit war, einen Stückchen Land für das Aufstellen unserem Camp zu vermieten. Zwischen Escholzmatt und Burgdorf trafen wir auf zwei Jungbauern Mira und Raphael. Mit ihren zwei Kindern, zwei Hunden, zwei Pfauen (Anzahl ohne Gewähr) und einer uns unbekannter Anzahl Ziegen und Mutterkühen führen sie einen Bauernhof tief in den sanften Hügel des Entlebuchs.

Als wir eintreffen ist bereits 14:00. Die Sonne ist hoch und heizt stark ein. Nach Monaten Hausarrest und Wochen des Regens sind wir dieser Hitze noch nicht gewachsen. Mira und Raphael scheint dies nicht zu stören.

Mira begleitet uns zum Stellplatz, der ca. 100m unterhalb des Bauernhofs auf einem flachen Stuck Land liegt. Er ist mit Feuerstelle, Holztisch, „Schitterbigi“ und einem Plumsklo eingerichtet. Wir richten uns ein. Stellen den Hubdach auf und falten die Markise aus. Eine leichte Brise bläst unregelmässig den Hügelhängen hinauf und hilft die surrenden Fliegen und Brämen zu zerstreuen. Diese sind in dieser Gegend aussergewöhnlich zahlreich, gross und lärmig. Sie fliegen uns mit ihren frisierten 2-Takt-Töfflimotoren im vollem „Karacho“ um die Ohren. Dies erinnert uns an den langen Nächten in einer Grosstadt Spaniens als die „Buben“ die ganze Nacht mit ihren Mofas die Strandpromenade hinauf und hinunter rasten (… und wir des Lärms wegen nicht einschlafen konnten). Testosteron auf zwei Rädern.

In der Ferne hört man die Bauern, die mit ihrem Mäher den steilen Hügel einen „closer shave“ verpassen. Das rhythmische Motorengeräusch (zacka, zacka, zacka …) der Handmäher hat eine erstaunlich beruhigende Wirkung auf uns. Wir staunen nicht schlecht, als uns bewusst wird, wie steil diese Hügelflanken sind. Viel Schweiss und Handarbeit. Das Wetter wird die nächsten drei Tagen schön und heiss bleiben. Optimale Bedingungen für eine „Heuete“.

Mira und Raphael stellen auch eigene Wurstwaren und Käse her. Wir decken uns mit Knoblauch-Ziegen-Würstchen und einen Paar Würstchen ein, die dem bündnerischen Salsiz Nahe kommen.

Um 17:00 gestatten uns die Geissen einen Besuch. Mit ihren Kulleraugen werden wir bemustert als ob wir Marsmeschen wären. Sie bleiben kurz beim Elektrozaum stehen und zotteln nach kurzer Zeit unbeeindruckt weiter. „Nichts besonderes, nur Touristen!“.

Mit einem Schluck Bier verspeisen wir die Würstchen. Sauergurken, selbstgemachtes Hummus, grüne Oliven und eine grosszügige Scheibe Urdinkel-Brot aus der Dorfbäckerei von Wohlusen runden den Apéro ab. Es bleibt beim Apéro.

Wir warten auf dem Sonnenuntergang, der genau um 21:20 geschieht. Der Himmel verfärbt sich Rot aber bleibt unspektakulär. Zeit um uns in unser Gemach zurückzuziehen.

Datum: 24. Juni 2020
Wetter: Sonne pur, leichter Wind


Unsere neuen Schlafsäcke haben eingehalten was auf dem Werbeprospekt versprochen wurde. Bis -3°C garantiert. So kalt war die Nacht nicht, aber es hat uns trotzdem gefreut, dass wir in keinem Moment kalt gehabt haben. Ein gelungener erster Test in Angesicht unserer (COVID-19 erlaubend) 2021 Reise zum Vordach der Welt in Tadjikistan auf der Pamir Highway (4600 m.ü.M).

Nach dem Frühstuck versuchen wir uns erstmals mit dem Schreiben eines Reiseberichtes. Leichter gesagt als getan. Wie schreibt man überhaupt einen Reisebericht? Klar haben wir etliche Blogger angeschaut um uns inspirieren zulassen. Jeder hat seinen eigenen Stil. Vom Wetterbericht-Style, furz trocken und anämisch bis zum „Alles mega!“-Style die Palette ist vielfältig. Wir werden unsere Reiseberichte im Stil eines Tagebuches verfassen. Unsere Beobachtungen, unser Empfinden, unsere Emotionen mit etwas Humor, Schalk, eine Prise Übertreibung und Tippfehler inklusiv werden wir zu Papier bringen. Es werden daraus keine detaillierten Reiseführer entstehen.

Das Brot geht uns aus. Wir entscheiden uns kurzerhand zum nächsten Dorf zu laufen und bei der dortigen Bäckerei für Nachschub zu sorgen. Durch frisch gemähten Felder und schattigen Wälder führt der Weg steil hinunter. Das Panorama rundherum ist atemberaubend. Mächtige felsige Berge teilen sich friedlich die Landschaft mit grünen Wiesen und Wäldern auf. Hie und da taucht ein Bauernhof wie eine kleine Oase inmitten dieses Puzzles auf. Die einen Bauernhäuser sind von einer grossen Wiese umgeben, andere liegen am Waldrand, weitere stehen auf einem Hügel wie Wachtürme. Auffällig sind die gewaltigen Dächer, die fast bis zum Boden reichen, sowie die üppigen Blumen- und Gemüsegärten, die häufig wie Willkommensteppiche vor dem Hauseingang ausgerollt sind. Hier bellt mehr oder wenig friedlich ein Hund, dort kräht ein angeberischer Güggel sich den Hals wund (seine Hühner schütteln nur noch den Kopf), aus dem Hinterhof strömt das süssliche Aroma eines Kuhstalls uns entgegen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein.

Im Dorf angekommen steuern wir schnurstracks zur nächsten Bäckerei. Kaufen das wohl ersehnte Brot und genehmigen uns eine Tasse Kaffe mit einer gewaltigen Punschkugel (Kugel aus Schokolade, die hauptsächlich aus Fett, Zucker, Mandeln oder Nüsse und Schokolade besteht. Die Oberfläche ist vollständig mit Schokoladenstreusel bedeckt = sehr gesund!!).

Die Auswirkungen des COVID-19-Schutzkonzeptes der Gastrobranche ist nicht zu übersehen. Der allgegenwärtige Dispenser für Desinfektionsmittel heisst beim Eingang die Kunden willkommen und fordert diese sich die Hände (oder was von diesen nach ca. 3.-monatigen Desinfektionsprozedur noch übrig ist) zu desinfizieren. Die Tische sind durch weisse Blachen getrennt, auf jedem Tisch liegt, für die die bis jetzt es noch nicht ganz begriffen haben, die letzte Anleitung (mit Text und Pictogrammen) zur Vermeidung der Ausbreitung dieses tückischen Virus. Klar, all dies trägt käumlich bei, das Ambiente schön und gemütlich zu gestalten … uns stört dies kaum … die Punschkugel sind einfach geil!

Befriedigt und ausgeruht strollen wir in den Dorfgassen herum. Hier hat der „Hexer“ sein Restaurant. Die Restaurants in dieser Gegend heissen alle (mit weniger Ausnahmen) „Rössli“, „Adler“, „Hirsch“, „Schwan“ und “Löwen“. Ein ganzer Tiergarten.

Der Weg zurück zum Camp ist steil und teilweise an die Sonne exponiert. Spätestens jetzt merken wir die Nachwehen der Punschkugel. Nichtsdestotrotz geniessen wir den Aufstieg. Nach ca. 3 ½ Std. (hin und zurück) we are back home.

Dank unsere „Helio Pressure Shower“ geniessen wir eine warme Dusche unter freien Himmel. Welcher Wohltat. Danach bereitet Sabine einen griechischen Salat (Tomaten, Gurken, schwarze Oliven, Zwiebeln und Feta), ich kümmere mich um die marinierten Lammfilets. Eine Flasche Rotwein rundet den gelungenen Tag ab.

Und es gibt noch die Löwen ...

Datum: 25. Juni 2020
Wetter: Sonne, Wolken, leichter Wind


Was tun wir heute? Kaum habe ich die Augen geöffnet, schon bin ich vollen Tatendrang. Na ja … mal schauen zuerst was der Tag uns anzubieten hat. Nach dem Frühstück entscheiden wir uns für’s „Nichts tun“. Wir falten die Markise des Landcruiser aus und richten unser Esstisch so, dass wir beide im Schatten bequem sitzen können. So verbringen wir den ganzen Tag die surrenden Fliegen beobachtend. Ein Pfau schaut scheuch vorbei. Verdutzt und überrascht von unserer Anwesenheit verschwindet er wieder rasch.

Sabine entscheidet sich für die Inventarisierung unseren Provianten. Wir dürfen nach Island nicht mehr als 6 kg Lebensmittel mitnehmen. Eine Selektion der „notwendigsten Lebensmittel“ muss her. Wir einigen uns nach einer langen Diskussion über die Bedeutung von „notwendig“

Datum: 26. Juni 2020
Wetter: Bewölkt (Regen in Anmarsch)


Um 08:00 verlassen wir «unter Rossgrat» in Richtung Thun. Hannibal braucht neue «Finken». Wir werden die BFGoodrich MT-Reifen durch AT-Reifen derselben Marke. Wir reduzieren gleichzeitig die Breite der Reifen zu Gunsten einer ruhigeren Fahrt auf Teer. Darüber hinaus muss noch ein nerviges Geräusch, welches beim Einschalten des 4×4 Lebenszeichen von Sich gibt, näher untersucht werden.

Wir verbringen in Thun den halben Tag. Aus dem Geräusch wird eine teure Reparatur. Die vordere Kardanwelle ist eingerostet und die Gelenke drohen früh oder später zu brechen. Wir möchten nicht inmitten einer Flussüberquerung stecken zu bleiben.

Unter strömender Regen fahren wir in Richtung Zürich und … stehen mehrmals in Stau. Baustellen, Unfällen und sonstiges machen aus einer sonst einfachen Angelegenheit eine Weltreise. Nach 31/4 Std. kommen endlich in Männedorf an.

Es waren 3 wunderschönen Tagen in denen die Strapazen der Quarantäne-Zeit und der Reisevorbereitungen (mit allen den Rückschlägen, Verspätungen, Verschiebungen) etwas abgemildert haben. Das Entlebuch hat uns regelrecht in seinem Bann gezogen. Wir denken … nein … wir sind sicher … wir kommen zurück.

Hannibal hätte sich diese "Finken" sooo gewüscht!

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