Du betrachtest gerade Albanien 2023, Reisetagebuch: 3. – 10. Juli
Die majästetische Vjosa-Tal
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  • Beitrag zuletzt geändert am:Januar 27, 2025
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Albanien 2023: Reisetagebuch

3. - 10. Juli

Ksamil - Korça

 

Das Wichtigste in Kürze:

Wir verlassen die Wildnis des Pindos-Gebirges (Griechenland) und tauchen kurz in den Ameisenhaufen von Ksamil ein (Albanien). Der Schock sitzt tief. In Gjirokaster bewundern wir die Altstadt und die alten Häuser im osmanischen Stil. Unsere erste Pistenfahrten sind garstig. Der Frühlingsregen hat vieles kaputt gemacht. Kurz vor Korça bleiben wir tief im Schlamm stecken und können uns nur mit der Seilwinde herausziehen. 

 

 

3.7. – Monodendri (Griechenland) – Ksamil (Albanien)
Wetter: Sonne pur und heiss, zu heiss!
Temperatur: 18 – 32°C

Ksamil liegt auf einer Halbinsel vis à vis von Korfu in Albanien. Eigentlich wollten wir von hier aus ein paar touristische Attraktionen in der Region besuchen. Doch als wir am überfüllten Parkplatz zum Besuch der Karstquelle Syri i Kalter (blaues Auge) vorbeifahren, in der Kleinstadt Sarande kein Parkplatz zu finden ist und wir auf dem Camping Ksamil dicht an dicht stehen, entscheiden wir, diesen Hotspot an der albanischen Riviera nur zu einem Boxenstopp zu nutzen: Geld wechseln, SIM-Karte besorgen und Wäsche waschen.

Die Campingbesitzerin ist sehr nett und empfängt uns sowie die anderen Gäste mit Biskuit und einem gefrorenen Kaffee. Dies täuscht aber nicht darüber hinweg, dass der Campingplatz restlos überfüllt ist und im Notfall kaum zu evakuieren wäre. Eine Familie aus Schweden mit zwei hyperaktiven Kindern hält uns bis spät in die Nacht hinein auf Trab … bis eine langsam entnervte Italienerin mit einem lauten «Bastaaa!» Ruhe einkehren lässt.

 

4.7. – Über Finiq nach Gjirokastra 
Wetter: Sonne pur, heiss und schwül
Temperatur: 22 – 32°C

Den heutigen Tag wollen wir etwas geruhsamer angehen. Es ist heiss und wir müssen uns erst an Albanien gewöhnen. So fahren wir auf einer geteerten Landstrasse über einen Gebirgszug Richtung Gjirokastra. Einen Abstecher wert scheint uns die archäologische Ausgrabungsstätte von Finiq, die hübsch auf einem Bergrücken liegt, von wo man einen weiten Blick über die Küstenebene hat.

Lustlos wandern wir die verschiedenen Ausgrabungen ab. Doch weder das Theater, noch die Mauerreste eines repräsentativen Hauses, noch die Tempel- sowie Kirchenreste vermögen uns zu begeistern. 

Einzig die vielen kleinen Bunker, die der für beinahe 40 Jahre autoritär herrschende Enver Hoxhas errichten liess, wecken unser Interesse. Hoxhas führte einen streng isolationistischen Kurs. Aus Paranoia vor einem Überfall durch die Nachbarländer oder durch ehemals kommunistische Verbündete liess er im ganzen Land kleine Bunker errichten, in denen je vier Albaner in einer Art Guerilla-Krieg den Invasoren Paroli bieten sollten. 750‘000 Bunker waren geplant und knapp 200‘000 wurden gebaut. Dieser finanzielle Kraftakt oder auch Wahnsinn überforderte das wirtschaftlich angeschlagene Land.

Heute erinnern die langsam verfallenden Bunker die Albaner vor allem an eine düstere Zeit.

Im neuem Family Camping in Gjirokastra parkieren wir Hannibal im Schatten und testen zum ersten Mal die albanische Küche im Campingrestaurant. Grüner Salat, Poulet im Ofen mit Bratkartoffeln und Auberginen im Tomatensugo. Die Präsentation ist etwas archaisch, aber alles schmeckt ordentlich gut.

Gegen 18:00 werden wir von lauter Partymusik aus der Ruhe gerissen. Ein Kindergeburtstag wird im Restaurant gefeiert. Eine Animateurin im Clown-Kostüm und ein für die Veranstaltung angereister DJ sorgen für reichlich Gekreische und Bewegung bei zwei Dutzend kleinen Mädchen. Die Mütter mit der nächsten Generation bereits im Kinderwagen oder im Bauch sitzen beisammen und tratschen.

Gegen 21:00 ist wieder Ruhe eingekehrt. Das Campingpersonal räumt auf, die Kinder lassen die Party-Luftballons explodieren. Darüber erschrecken zwei Hunde von Campinggästen und fangen wild an zu bellen.

 

5.7. – Gjirokaster
Wetter: Sonne pur, heiss uns schwül
Temperatur: 22 – 32°C

Wir lassen uns nach dem Frühstück vom Sohn des Campingbesitzers mit dem Auto nach Gjirokaster fahren. Den Bazaar, die Burg und ein osmanisches Haus möchten wir besichtigen. Gjirokaster zählt seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Sie ist eine der ältesten Städte des Landes und wichtiges kulturelles Zentrum Südalbaniens.

Dass diese Stadt ein Touristen-Magnet ist, wird uns beim Eintreffen im Bazaar sofort klar. Die Souvenirläden mit dem üblichen Ramsch sowie die Restaurants, die Fast-Food-Theken und die Bars stehen den vorbeilaufenden Touristen Spalier. Eine Lawine von Hotpants tragenden jungen und weniger jungen Frauen mit zu stark über dem Bauch gespannten und zu klein geratenen T-Shirts, von quengelnden Kindern, von mit dem Selfie-Stick herumschwenkenden Asiaten und von desinteressierten, dem Guide folgenden Gruppereisenden zwängt sich durch die steilen Gassen … und schwitzt sich unter der bereits sengenden Sonne die Seele aus dem Leib.

Wir klettern bis zur Burg, die die Stadt von oben beschützt. Dieses gigantische Bollwerk hat ausser einer Reihe von alten Kanonen, einem der wenigen noch existierenden Fiat-Panzer aus dem 2. Weltkrieg und einer wunderbaren Fernsicht nicht viel zu bieten.

Gjirokaster ist auch für seine Häuser im osmanischen Stil bekannt. Das Skenduli-House ist eines davon und liegt glücklicherweise nicht weit weg von der Burg. Dort erwartet uns eine etwas übersäuerte Guide, die uns in schnellem Schritttempo durch die unzähligen Räume führt. «Hier ist die Vorratskammer, hier der Kühlraum, hier ein Hammam, hier die Gästezimmer, hier der Hochzeitraum, hier ein Plumpsklo … hier der Regenwassertank …». Und schon sind die nächsten Besucher an der Reihe.

 

6.7. – Gjirokaster – Tepelene – Nationalpark Bred Hotovë (Frashër)
Wetter: Sonnig und heiss
Temperatur: 22 – 32°C

Heute nehmen wir zum ersten Mal eine Piste Albaniens unter die Räder. Nach dem vielen Frühlingsregen und unseren schlechten Erfahrungen im Pindos-Gebirge, müssen wir zugeben, dass wir ein mulmiges Gefühl im Bauch haben.

Sobald wir nach Gjirokaster von der Hauptstrasse abzweigen, wird es einsam. Von Gjirokaster führt eine geteerte Strasse bis Kolonjë. Eine Schotterpiste ohne grosse Schwierigkeiten bringt uns zum kleinem Bergdorf Golem, das kaum mehr bewohnt scheint. Wir begegnen einigen Schaf- und Ziegenherden sowie Pferden, die in diesem unwegsamen Gelände immer noch ein wichtiges Transportmittel sind. Menschen sehen wir kaum.

Dann nach einer holprigen Passfahrt kommen wir zu einem Ort, der belebt und durch eine gut ausgebaute Strasse erschlossen ist. Wir sehen tief in eine Schlucht hinunter, die eine Erkundung wert wäre. Allerdings läuft uns der Schweiss auch ohne körperliche Aktivitäten hinunter … In einer Strassen-Bar stoppen wir kurz und lassen uns einen türkischen Kaffee servieren. Auf dem Grill brutzelt für das Mittagessen bereits eine ganze Ziege. Der Barbesitzer probiert in regelmässigen Abständen, ob die Ziege schon gar sei. Am Bauchumfang gemessen, probiert er sehr gerne und sehr oft.

Nach einem herzhaften Mittagessen in Tepelenë, während dem wir Besuch von einem halbnackten Mann in Unterhosen erhalten (der Restaurantbesitzer verscheucht ihn unsanft und mit einer lauten Schimpftirade vom Grundstück) brechen wir zu einer Rundfahrt durch den Nationalpark Bred Hotovë (auch Frasher genannt) auf, weitere 70 km Offroad. Durch dichten Laub- und Kiefernwald steigen wir zu einem Hochplateau auf, haben immer wieder Ausblicke auf eine zerfurchte wilde Landschaft und kommen auf ruppiger und vom Regen gezeichneter Piste an sehr ursprünglichen Dörfern vorbei. Die Lebensbedingungen scheinen wie aus einem anderen Zeitalter. Nur ein Stromkabel und alte klapprige Pickups unter Blechdächern zeigen, dass die Moderne auch in dieser Region einen scheuen Einzug gehalten hat.

Auf der Suche nach einem geeigneten Stellplatz sind wir sehr wählerisch: die eine Möglichkeit kommt zu früh, auf der nächsten Wiese finden wir keine ebene Fläche, auf dem nächsten Plätzchen können wir nicht wenden … schlussendlich landen wir unten im Tal, finden in der Nähe eines Kraftwerks „the place to be“ und fallen müde ins Bett. Doch der Schlaf will nicht kommen. Unbekannte Geräusche halten uns wach und mitten in der Nacht wird Fabrizio wieder aufgeschreckt, etwas bewegt sich auf dem Dach … an den auf Hannibals Kühlerhaube hinterlassenen Spuren, war es wahrscheinlich ein Waschbär.

 

7.7. – NP Bredh Hotovë – Farma Shelegur
Wetter: Sonnig und heiss
Temperatur: 22 – 32°C

Nicht der Touristen-Hotspot des Lengerica Canyon mit seinen Schwefelquellen lässt uns heute staunen, sondern die Fahrt durchs Vjosa-Tal, das flankiert ist durch steil abfallende 2‘500er. Die Wolken umschmeicheln die Bergspitzen wie Zuckerwatte die Kindermünder.

Unweit der griechischen Grenze biegen wir auf eine schlecht unterhaltene Nebenstrasse Richtung Norden ab und lassen uns in Lesovik in einem sattgrünen Tal auf einer Wiese eines Bauernhofs (Farma Shelengur) mit Tourismus-Betrieb nieder.

 

8.7. – Offroadstrecke von Erseke nach Clirim
Wetter: Sonnig und warm
Temperatur: 16 – 27°C

Heute waren wir zu beschäftigt, um Fotos zu knipsen. Für 39 km benötigten wir nicht ganz sieben Stunden.

Immer wieder müssen wir zusammen beraten, wie wir die heiklen Stellen umfahren bzw. überwinden wollen. Mehrere Male betätigen wir uns als Strassenbauer und füllen tiefe Auswaschungen mit Steinen auf. Mit jedem überwundenen Hindernis wird eine Umkehr unwahrscheinlicher. Wir fühlen uns wie Insekten, die sich auf eine fleischfressende Pflanze eingelassen haben: Je tiefer sie sich in den Schlund vorwagen, desto unwahrscheinlicher wird ihre Rückkehr.

Zum Glück schaffen wir es bis zum Ende der Piste, doch zuvor mussten wir uns mit der Seilwinde aus einem Schlammloch ziehen und eine tiefe Furt überqueren.

Von der grandiosen Natur, die uns umgibt, bekommen wir leider nicht sehr viel mit. Die Anspannung ist enorm. Zur Belohnung und aus purer Lebensfreude gönnen wir uns am Abend ein Hotelzimmer (Hotel Vila Mano) in der Kleinstadt Korça und gehen fein essen.

Fazit: wir sind nicht mehr bereit, solche Pisten zu fahren. Wir sind nicht auf der Karpata-Rally unterwegs. Technisches Fahren ist für uns i. O., aber nicht über einen ganzen Tag hinweg. Ein Schlammbad haben wir auch nicht nötig und Hannibal hat bereits genug gelitten.

 

9.7. – Korça
Wetter: Sonnig und warm
Temperatur: 14 – 26°C

Nach dem gestrigen Schrecken ist Ausruhen angesagt. 

Wir schlendern mit den Einheimischen durch die geschäftigen Strassen von Korça, einer nach aussen ruhig und friedlich wirkenden Stadt von knapp 80‘000 Einwohnern.

Alt und neu, arm und reich, modern und rückständig treffen hier unmittelbar aufeinander. Dann stossen wir auch auf Kuriositäten wie den dem Verfall preisgegebenen Kühlturm eines Kohlekraftwerks oder den Grill im Garten des Finanzministeriums. Im Zentrum treffen wir auf das liebevoll gestaltete Theater, die riesige Kathedrale oder auch auf stilvoll eingerichtete Restaurants und Bars. Auf den Gehsteigen des Boulevards flanieren Jung und Alt und daneben röhren die vielen hochmotorisierten Mercedes und Porsches, die ebenfalls diesen Strassenabschnitt zum Schaulaufen nutzen.

Die liebe zu Autos hier in Albanien, dem zweitärmsten Land Europas, ist legendär. Nirgendwo sonst auf der Welt haben wir eine solche Mercedes-Dichte erlebt.

 

10.7. – Korça – Ausflug nach Voskopoja
Wetter: Sonnig und warm
Temperatur: 14 – 27°C

Heute kümmern wir uns zuallererst um Hannibal. Er kriegt eine ausgiebige Dusche, sicherlich 30 Minuten lang. Danach lächelt er uns in hellem Kleid entgegen, obwohl in einigen Ritzen immer noch Schlamm klebt. Danach gehen wir mit ihm zum Pneuhaus. Die Garage soll die Kalibrierung der Räder überprüfen und da gibt es einiges zu justieren. Danach galoppiert Hannibal, auch in hohem Tempo, ohne zu schwanken geradeaus.

Unser Ausflug geht heute in die Berge nach Voskopoja, ein Dorf mit einer bedeutenden Vergangenheit. Seine Blütezeit hatte es im 17. und 18. Jahrhundert, wo sich aromunische Kaufleute hier ansiedelten. Sie gehörten der orthodoxen Kirche an und wurden reich durch ihre Handelsbeziehungen, die von Dubrovnik bis nach Venedig, Konstantinopel und Leipzig reichten. Mit ihrem Reichtum stifteten sie Kirchen und Klöster, ca. 26 bei geschätzten 20’000 Einwohnern.

Reichtum zieht bekanntlich Neid und Missgunst auf sich. Ende des 18. Jahrhundert wurde Voskopoja wiederholt von Diebesbanden geplündert, worauf das Dorf sich entvölkerte und Korça an seine Stelle trat.

Heute sind noch sieben historische Gebäude erhalten. Doch besichtigen konnten wir keines. Sie sind entweder zu baufällig, Ruinen oder werden gerade renoviert. Das Dorf ist hübsch in den Bergen auf 1’160 m ü. M. gelegen und heute ein Touristenziel, obwohl wir nur auf eine Handvoll trafen.  Es hat unzählige Hotels, Pensionen und Tavernen sowie ein paar stattliche Villen von privilegierten Albanern.

Auf den Offroad-Rundkurs, der die Umgebung erkundet, haben wir wohlweislich verzichtet. Trotzdem war Voskopoja einen Aufsflug wert

 

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