Spanien 2021: Reisetagebuch
13. - 24. August
Polientes - Santiago de Compostela
Das Wichtigste in Kürze:
Unsere Fahrt zum «Parque Natural de Somiedo» und die dort, durch den überfüllten Campingplatz, erlebte Enttäuschung. Unser Mittagsstopp in Valdetja, wo wir in einem kleinem Restaurant zum ersten Mal einen asturischen Sauermost auskosten und in der gleichen Toiletten pinkeln, wo bereits Liam Neeson es zwei mal getan hat. Das UNESCO Weltkulturerbe «Las Medulas» (ehemalige römische Goldminen).
Die gepflegte und schmücke Stadt von Allariz. Unsere Fahrt nach Portugal um die berühmten Kornspeicher «Espingueros» in Sojao zu besichtigen.
Freitag, 13. August – Montag, 16. August, Polientes – Parque Natural de Somiedo
Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 30°C
Heute steht eine «Mordsetappe» auf dem Programm. Wir haben gestern «Ferienbuchhaltung» gemacht, nicht im finanziellen Sinn, sondern wir haben die verbleibenden Ferientage mit der uns gemäss unserem Roadbook bevorstehenden Route verglichen und eine Diskrepanz festgestellt: Zu viele Kilometer und zu wenige Tage. Da Galizien auf unserm Programm zuoberst steht und wir dort eine «gewisse» Zeit verbringen möchten, müssen wir in unsere Reiseziele neu ordnen und mit dem Rotstift Abstriche vornehmen. Die «Highlights» werden neu bewertet. Entscheidendes Kriterium dabei, den Massen der sich zurzeit und bis Ende nächster Woche in den Ferien befindenden Spanier aus dem Weg zu gehen. «Der Pico de Europa» ist das erste Opfer dieses «Kahlschlages». Als «Kompensation» versuchen wir unser Glück beim Parque Natural de Somiedo, bekannt für seine Bären, engen Täler und wilde Natur. Sabine klärt vorsorglich ab, ob es im Campingplatz Lago de Somiedo noch freie Plätze für das Wochenende gibt. Wir haben «Glück».
Einen «Umweg», welchen wir zufällig einschlagen, führt uns auf dem Weg nach Somiedo durch tiefe, wilde Schluchten. In Valdetja entdecken wir eine kleine aber, wie sich erweisen wird, feine Beiz. Wir stoppen für ein kurzes Mittagessen: Gemischter Thonsalat und dazu eine Flasche asturischer Sauermost. Beim Sauermost fasziniert uns, wie die Einheimische ihn trinken. Die Flasche wird von Hand angehoben und dann langsam in Richtung Glas gekippt. Es braucht ein gutes Auge, damit beim ersten Versuch der Moststrahl das Glas trifft. Anfänger trinken mit dieser Schenkmethode bekanntlich sehr wenig. Geschmacklich ist der asturische gegärte Obstsaft gewöhnungsbedürftig. Er ist sehr sauer und enthält keine Kohlensäure und … verursacht keinen Durchfall!
Übrigens: Sabine macht mich darauf aufmerksam, dass sogar der Schauspieler Liam Neeson hier zweimal gespiesen hat. Ich frohlocke und antworte Sabine «denk mal, wie meine Freunde reagieren werden, wenn ich ihnen erzähle, dass ich in die gleiche Kloschüssel wie er gepinkelt habe».
Eine steile, für Hannibal fast zu steile, Serpentine führt uns zum Campingplatz «Lago de Somiedo». Hier haben wir ein Plätzchen für drei Nächte reserviert. Als wir dort ankommen, trifft uns beinahe der Schlag. Auf dem Parkplatz vor der Reception stauen sich bereits dutzende Autos. Ein Gewusel von Menschen, spielenden Kindern und Hunden bewegt sich hastig zwischen den Mobilehomes und den Zelten hindurch – ein Gedränge wie auf dem Marktplatz von Marrakech. Hier oben scheint Covid noch nicht angekommen zu sein. Selten sehen wir jemanden mit Maske und, insbesondere bei den Toiletten, quetschen sich die Leute hinein wie die Ameisen beim Eingang ihres Haufens. Über dem Daumen geschätzt befinden sich hier mindesten 200-250 Personen. Für diese stehen insgesamt sechs Toiletten und doppelt so viele Duschen zur Verfügung. Dass es zu Drängeleien kommt, ist unausweichlich.
Am Rand eines Parkplatzgeländes können wir Hannibal parkieren. Dies ist unser «Plätzchen» für die nächsten zwei Tage. Morgen versuchen wir diesen Menschenmassen zu entfliehen und werden deshalb eine Wanderung zu einem Bergsee anpacken. Die Masse wird uns aber folgen. Und so treffen wir am Ufer des Bergsees den halben Campingplatz wieder.
Was bleibt uns von diesen zwei Tagen? Eine tiefgründige Enttäuschung über die Menschen, ihr Verhalten und ihre Uneinsichtig in Bezug auf die Covid-Situation. Die Landschaft ist zwar sehr schön, entschädigt uns aber nicht für das Chaos, das wir hier angetroffen haben
Es ist früher Morgen und eine klebrige Nebeldecke hat über Nacht das Tal «gefüllt». Eine dicke Schicht Tauwasser überzieht wie eine zweite Haut alle Gegenstände, die man nicht im Inneren des Fahrzeugs «in Sicherheit» gebracht hat. Nichtdestotrotz verlassen wir schleunigst Lago de Somiedo in Richtung Ponferrada.
Dienstag, 17. August, Ponferrada – Las Medulas – La Puebla de Sanabrias
Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 35°C
Ausserhalb von Ponferrada schlagen wir unser Zelt auf. Mit Hannibal durch den Stadtverkehr zu fahren ist echt kein Spass (sorry Hannibal!). Von hier aus erreichen wir am frühen Morgen das UNESCO Weltkulturerbe «Las Medulas». Die Römer haben hier Gold geschürft. Die angewendete Methode erinnert an jene, die die Goldschürfer im Klondike eingesetzt haben. Da die goldführenden Sedimente sich unter einer bis zu 100 m dicken Schicht aus «tauber» Erde und Gestein befanden, musste diese zuerst entfernt werden. Ein ausgeklügeltes Tunnelsystem, welches mit Wasser geflutet wurde, brach die Bergwände zum Einsturz und legte das Gold zum Waschen frei. Noch heute sind die Spuren der Tunnelarbeiten erkennbar. Eigens dafür wurde über ein 600 km langes Kanalsystem das Wasser aus der Umgebung herbeiführt. Als die goldführende Schicht erschöpft war, blieben die Überreste dieser titanischen Arbeit zurück, die «Las Medulas». Wie Zähne eines Krokodils ragen die Überreste der Minen rot gegen den Himmel inmitten einer grünen üppigen Vegetation. So ein Blick, muss bei einem heutigen Goldschürfer wie Fabrizio einen Kurzschluss auslösen. Er sieht sich schon mit einem Metalldetektor und einer Waschpfanne ausgerüstet, in diesem Canyon artigen Landschaft nach den Überbleibseln dieser goldigen Ära schürfen.
Über wenig befahrenen Landstrasse entlang einer endlosen Reihen von Schieferstein-Minen erreichen wir am späten Nachmittag die Stadt Puebla de Sanabria.
Mittwoch, 18. August, La Puebla de Sanabrias – Allariz
Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 35°C
La Puebla de Sanabria wird als einer der schönsten Städte Spaniens angepriesen (wir sind mit dieser Bewertung nur bedingt einverstanden). Dies hat zur Folge, dass sie mit Touristen überfüllt ist. Die Altstadt ist voll mit Souvenirständen und Läden, die ein breites Sortiment an Tontöpfen und sonstigem Nötigen/Unnötigen anbieten. Wir essen in einem überteuerten Restaurant und bleiben nur eine Nacht. Unser nächstes Ziel ist die Stadt von Allariz (25km südöstlich von Ourense). Wir erreichen diese über zwei Pisten, die uns durch das Hochland der Region führen. Zuerst fahren wir entlang eines weit angelegten Windparks, dann durch Heidelandschaft. Es ist eine gemütliche Fahrt, bis auf einen kurzen Zwischenfall (dazu später). Wir sind hier oben allein und die Weitsicht reicht bis zum fernen Horizont. Dass die Stromgewinnung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, erkennt man neben den riesigen Dimensionen der Windanlagen, die die Hügelgrate mit ihren gigantischen Turbinen säumen, auch an den etliche Stauseen auf unserem Weg.
Und nun zum Zwischenfall: Hannibal ist bekanntlich ein relativ breites Fahrzeug. Dies ist für niemanden überraschend … solange man nicht auf eine sehr enge Piste gerät! Dies passiert uns, als wir unverhofft auf einen wenig unterhaltenen Weg abzweigen, der sich durch zwei bereits geerntete Getreidefelder schlängelt. Links und rechts von uns Ginster- und Brombeerbüsche, Eichen- und Kastanienbäume mit tiefhängenden Ästen. Der Lack bekommt dies als erstes zu spüren. Je weiter wir fahren desto enger wir das Ganze. Fabrizio steigt aus und erkundet die nächsten 500m zu Fuss. Sein Verdikt: Durchkommen nur mit Blechschaden! Es gelingt uns, irgendwie Hannibal zu kehren und dieser prekären Lage zu entwischen. Dies muss für uns ein Warnsignal sein. In Galizien sind die Pisten häufig schlecht unterhalten und sehr eng.
Mittwoch, 18. August – Sonntag, 22. August: Allariz
Wetter: Sonnig, leicht windig, am Morgen frisch, 16°C – 32°C
In Allariz erleben wir Höhen und Tiefen. Höhen, da die Stadt uns und von ihrer schönen Seite empfängt. Die Altstadt ist gepflegt und mit schmucken Läden bestückt. Die alten Gebäude zeugen von einer reichen Vergangenheit. Am Fuss von Allariz fliesst gemächlich der Rio Arnoia dahin und bietet schattige Plätze und schöne Naturecken für den aufmerksamen Passanten. Wir geniessen insbesondere die aussergewöhnliche Ruhe.
Tiefen, da wir uns den Wunsch, die Stadt noch besser kennen zu lernen, nicht erfüllen können. Fabrizio bleibt den ganzen Samstag Ausserbetrieb (Müdigkeit und Magenverstimmung), Sabine den ganzen Sonntag (dieselben Symptome). Das Wetter könnte nicht schöner sein: blauer Himmel und heisse Temperaturen. Eine am Freitag unternommene ca. 200 km lange Rundfahrt bis nach Sojao (Portugal) um die berühmten Speicher «Espingueros» zu besichtigen -die übrigens auch für Galizien typisch sind – scheint unsere letzten Kraftreserven aufgebraucht zu haben.
So bleibt uns nichts anders übrig, als zwei weitere Tage im Campingplatz von Allariz zu verbringen, um uns beide wieder auf die Beine zu bringen.
Montag, 23. August: Allariz – Pontevedra
Wetter: Sonnig, leicht windig, am Morgen frisch, 14°C – 32°C
Wir Verlassen Allariz mit Wehmut. Fabrizio hat keine Lust, die geplanten Pisten zu befahren. Einerseits führen diese fast allesamt durch Wälder und, wir befürchten, dass tiefhängende Äste uns das Leben schwer machen würden und andererseits wollen wir nicht nur Pisten fahren, weil wir einen Offroader besitzen. Es ist eher der umgekehrte Fall. Wir können aber wir müssen nicht Pisten fahren, wenn es uns nicht drum ist oder wenn wir den Sinn darin nicht sehen.
Die Fahrt nach Pontevedra führt uns durch teils öde Landschaften. Grosse Waldflächen sind abgeholzt und durch Eukalyptus-Monokulturen ersetzt worden. Würden wir auf der rechten Strassenseite fahren, könnte man meinen, wir befänden uns in Australien.
Die Verkehrsdichte ist höher als auf den oft einsamen Strecken in den Pyrenäen und durch Asturien. Dies stresst uns ein wenig. Das kommt hauptsächlich von der Aufsässigkeit der spanischen Autofahrer, die einem wie Schmeissfliegen an der hinteren Stossstange kleben.
Irgendwie kann uns bis dato Galizien (mit Ausnahme Allariz) noch nicht in seinem Bann ziehen. An dieser Wahrnehmung wird sich auch in den nächsten Tagen nichts ändern.
In Pontevedra, nachdem wir uns durch den dichten Stadtverkehr «gequetscht» haben, schlendern wir etwas lustlos durch die Altstadt. Die Museen, die wir besuchen wollen, sind allesamt geschlossen. Die Restaurants haben gerade ihre Mittagsschicht fertig und servieren keine Malzeiten mehr.
Um ums wieder aufzumuntern, essen wir im Dorfrestaurant «Casa Chano» von Redondela (ca. 20 km südlich von Pontevedra) eine vorzügliche Fischplatte.
Dienstag, 24. August: Pontevedra – Santiago de Compostela
Wetter: Sonnig, leicht windig, 19°C – 30°C
Je näher wir Santiago de Compostela kommen, desto dichter wird der «Pilger»-Strom der, der diese Stadt zum Ziel hat, die das Ende ihrer wochenlangen Anstrengung bedeutet. Die Menschen laufen am Strassenrand, allein, paarweise oder in kleinen Gruppen. Viele unter ihnen haben einen Holzstock und sehen aus wie Hirten, die ihre Schafe verloren haben. Sie tragen keine bis schwere Rucksäcke. An ihnen sausen Lastwagen, Motorräder, Autos und alles was Räder hat vorbei. Sie bleiben, getragen von ihrem Glauben oder von ihrer innerlichen Motivation, unbeirrt und fokussiert. Der Weg ist das Ziel!
Um die ärgste Nachmittagshitze zu umgehen, besuchen wir um 17:00 Uhr die Altstadt von Santiago de Compostela. Was hier im Namen der Religion für gewaltige Bauten errichtet wurden, verschlägt uns die Sprache. Die imposante Jakobskathedrale überragt mit ihrer Grösse alles, was wir bis jetzt gesehen haben. Ein ebenso imposanter Strom von Touristen drängt sich zum Besuchereingang. In Santiago de Compostela hat man von Covid noch Nichts gehört. Insbesondere im Inneren der Kathedrale, erinnert den Menschenstrom an die Stosszeit im unterirdischen S-Bahn-Bahnhof von Zürich. Glauben versetzt Berge und allenfalls auch Covid.
Aus den Lautsprechern ertönt die mahnende Stimme eines Ordnungshüters, der die Menschenmenge daran erinnert: «Wir sind hier in eine Kirche! Bitte seid leise, nimmt eure Hüte ab und verwendet nicht den Blitz beim Fotografieren». Vergebens!