Bosnien und Herzegowina 2023: Reisetagebuch
18. - 23. August
Bosnien und Herzegowina
Das Wichtigste in Kürze:
Wir befinden uns auf der Rückfahrt in die Schweiz. So wie es aussieht, wird Bosnien und Herzegovina für uns leider nur ein Durchfahrtkorridor zu Kroatien und Italien sein. Wir durchqueren das Land in nur fünf Tagen. Die Stadt Mostar überzeugt uns wenig. Zu viele Touristen und alle wollen nur die berühmte Brücke sehen. Ausserhalb von Jajce entdecken wir die bezaubernden Wassermühlen von Mlinčići.
Auf die allgegenwärtigen Spuren des Balkankrieges sind wir nicht vorbereitet. Was wir in Bosnien und Herzegovina an Zerstörung antreffen, stimmt uns traurig.
18.08.23 Durmitor NP (Montenegro) – Foča (Bosnien Herzegowina)
Wetter: Bewölkt, in Bosnien und Herzegovina wird es am Nachmittag regnen
Temperatur: 17 – 25°C
Montenegro ade, Bosnien und Herzegowina hallo! Wir durchqueren den Durmitor Nationalpark im Osten (Panorama Route 2) – nicht ganz so spektakulär wie der westliche, alpinere Teil – fahren entlang der SuŠiko-Schlucht sowie des Pivsko Stausees, überqueren nach gut 45 Minuten Wartezeit die Grenze in Šcepan Polje, machen die ersten Erfahrungen mit dem katastrophalen Strassenzustand in Bosnien und werden in Foča im tollen Auto Camp Drina wärmstens empfangen.
Heute waren wir für eine Offroad-Route zu müde. Die zwei Wochen Montenegro haben mit seinem kühlen instabilen Wetter, der bescheidenen Infrastruktur der Zeltplätze, dem kühnen Fahrstil der Montenegriner und den vielen Touristen Energie gekostet.
19.08.23, Tjentište: Gedenkstätte an die Gefallenen im 2. Weltkrieg – Mostar
Wetter: Bewölkt, am Nachmittag regnet es intensiv
Temperatur: 18 – 25°C
Hier gelang den jugoslawischen Partisanen unter Tito in der Schlacht an der Sutjeska der entscheidende Wendepunkt bei der Befreiung Jugoslawiens im 2. Weltkrieg. Aufseiten der Achsenmächte standen 127‘000 Soldaten, die Partisanen verfügten über lediglich 18‘000 Kämpfer. 3301 Partisanen fanden bei den Kampfhandlungen ihren Tod. Ihre sterblichen Überreste liegen hier begraben. Gerade in Anbetracht des jüngsten Krieges in Bosnien ein Ort, der uns nachdenklich stimmt.
Doch zuvor haben wir noch die hübschen Sanddünen in der Nähe von Foča besucht.
Wir sind dann an einer riesigen Kohlenmine entlang gefahren und auf das eine oder andere zerfallene Gebäude gestossen. Zum tristen Bild kommen die Gewitter hinzu – die Berge des Sutjeska-Nationalparks halten sich standhaft hinter den dichten Wolken versteckt.
Gegen Abend kommen kräftige Böen hinzu, ein eher ungemütliches Wetter, das uns den Schlaf raubt.
20.08.23, Mostar
Wetter: Sehr heiss mit stürmischem Wind
Temperatur: 20 – 33°C
Es ist brütend heiss als wir uns mit einem Taxi ins Zentrum von Mostar bringen lassen. Der Fahrer ist schlechter Laune und legt sich mit dem Mercedes-Fahrer auf der Überholspur an …
Nach einer eher bescheidenen Mahlzeit -nicht was die Portionen betrifft – stürzen wir uns ins Getümmel und machen uns zur „Stari Most“, dem Wahrzeichen von Mostar auf. Die „alte“ Brücke wurde 1993 von kroatischen Truppen im Balkankrieg zerstört und 2004 wieder aufgebaut.
Die durch den Massenandrang und die Selfie-Verliebten verstopften Gassen vor der Brücke sowie die lieblosen Souvenirläden und Glacéstände erzeugen eine Stimmung, die für mich so gar nicht zu den tragischen Ereignissen, die sich vor rund 30 Jahren abgespielt haben, passen will.
Der Krieg ging quer durch die Stadt. Noch heute sind die Wunden offensichtlich – an vielen älteren Gebäuden sind die Einschusslöcher sichtbar, viele Häuser stehen leer, die Friedhöfe sind überdimensioniert und in den 90er-Jahren sind viel zu viele junge Menschen gestorben …
21.08.23, Jajce
Wetter: Sonne pur und heiss, zu heiss!
Temperatur: 22 – 33°C
Grüne, natürliche Flusstäler und der Geruch von grillierten Spannferkel und Zicklein begleiten uns heute auf unserer Reise Richtung Norden.
Der herausgeputzte Stadtkern von Jajce vermag uns nicht zu begeistern, Nach zwei Nächten in Mostar mit wenig Schlaf fühlen wir uns wie zerschlagen. Zerschlagen bzw. vom Bosnienkrieg gezeichnet sind auch viele Häuser im Zentrum, sei es durch Einschusslöcher, sei es, dass sie leer stehen oder beides. Für uns eine schwer verdauliche Geschichte. Vor dem Krieg wohnten hier 45‘000 Menschen, 2013 waren es noch 30‘000. Während 1991 noch fast 20% Serben hier heimisch waren, sind es aktuell nicht einmal mehr 2%, 95 % sind Kroaten und Bosniaken.
Ein sehr idyllisches Bild geben die alten Wassermühlen von Mlinčići, 5 km nördlich von Jaice, ab. Die durch kleine Stege verbundenen Holzhütten stammen noch aus der Zeit der österreichisch-ungarischen Herrschaft und erfüllen heute ihren Zweck als Touristenattraktion.
Uns beeindruckt die schier unendliche Anzahl von Friedhöfen, die in Bosnien und Herzegovina von der Strasse aus sichtbar sind. Sie sind die Zeugen einer sehr blutigen jungen Vergangenheit. Hier liegen mehr Leuten unter dem Boden als oberhalb leben. Auf der einen Strassenseite ein muslimischer Friedhof, auf der anderen ein christlicher … und so weiter und so fort. Für uns ein sehr beklemmendes Gefühl. Teilweise prunkvolle Monumente erinnern an die „Heldentaten“ (Mord, Vergewaltigung, Deportation, Plünderung, Säuberungen …) der verstorbenen Soldaten. Sie wurden von den gleichen Leuten gebaut, die sie – aus Grössenwahn, aus nationalistischen, strategischen, wirtschaftlichen oder religiösen Gründen oder auch weil die Fratze des anderen einem nicht gepasst hat – in den Tod geschickt haben. Für die Hunderttausenden Flüchtlinge wurden hingegen keine Monumente errichtet. „Bosnien ist ein Land der Minenfelder“ wurde wir gewarnt. „Falls ihr Offroad fahren möchtet, bleibt unbedingt auf der Piste». Tatsächlich haben wir entlang einer Hauptstrasse eine rote Tafel mit einem schwarzen Totenkopf gesichtet. Die Minenfelder sind dort, wo wir sie am wenigsten erwartet hätten.