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Ardales: El Caminito del Rey
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  • Beitrag zuletzt geändert am:Februar 3, 2025
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Spanien 2022: Reisetagebuch

4. - 17. Juli

Antequeras - Ronda - Figuères

 

Das Wichtigste in Kürze:

Die atemberaubende Wanderung entlang des „Caminito del Rey“ (trotz Höhenangst). Die vom Dorf Tolox beginnende steile und steinige Piste entlang des «Parque Natural de la Sierra de las Nieves». Die Stadt Ronda mit seinem imposanten „Puente Nuevo“ und sehr schöne „Plaza de Toros“.

 

 

Montag, 4. Juli: Antequeras – Ardales
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 37°C

«Mensch sieht DAS gfürchig aus!» entweicht Fabrizio spontan, als wir zum ersten Mal vom Strassenrand aus den Wanderpfad «El Caminito del Rey» erblicken. Eine senkrechte Wand mit einem schmalen Steg, der wie durch ein Wunder an ihr «festzukleben» scheint, … so präsentiert sich uns die Konstellation von weitem. «Morgen werden wir selbst da drüben sein …». Eine gewisse Unsicherheit ist in Fabrizios Stimme unüberhörbar. Er, der unter Höhenangst leidet, denkt… hoffentlich kommt morgen alles gut hinaus.

Als wir den Camingplatz Parque Ardales, der schön am Stausee «Embalse del Conde de Guadalhorce» in einem Pinienwald versteckt liegt, erreichen, haben wir eine ca. 70km lange und sehr kurzweilige Fahrt hinter uns: Diese hat oberhalb des Dorfes Valle de Abdalajis begonnen und führt uns auf einer steinigen und relativ steilen Piste zuerst durch eine Schlucht und klettert dann eine Bergflanke hinauf. Technisch ist sie einfach. Keine nennenswerten Auswaschungen, fester Untergrund … das Panorama ist «erste Sahne». Von hier oben betrachten wir die unendlich grossen Olivenhaine, die hie und da durch bereits abgeerntete Getreidefelder unterbrochen werden. Die geometrischen Formen, der auf den Feldern durch die Mähdrescher hinterlassenen Spuren, erinnern uns an Kornkreise in Maisfeldern.

Die Hitze ist heute unerträglich. Sie klebt regelrecht an unseren Körper wie eine zweite Haut. Auch im Schutz der Pinienbäume ist sie unbarmherzig. Nicht einmal die leichte Brise, die einen Weg durch den Wald gefunden hat, bringt eine spürbare Erleichterung. So bleibt uns nichts anders übrig, als uns so wenig wie möglich zu bewegen. Wir «frieren» unsere geplanten Aktivitäten ein und warten auf die abendliche Abkühlung (falls es eine solche überhaupt geben wird).

Gegen 20:00 entscheiden wir uns für einen kurzen Ausflug zur Felsenkirche von Bobastro. Sie liegt nicht einmal 8 km vom Campingplatz entfernt. Wir geniessen während der Fahrt die wohltuende Abkühlung, die uns Hannibals Klimaanlage beschert. Die Felsenkirche von Bobastro steht für eine lange Geschichte der Auflehnung gegen die Obrigkeit, die in einen «Guerrillakrieg» mündete. Die «Abtrünnigen» versteckten sich in den Felsen des «Tajo de Buitre» und errichteten dort ihre Basis samt Kirche und schützender Burg. Wieder einmal staunen wir über die Willenskraft der Menschen, die hier aus den Felsen eine Kirche beachtlicher Grösse herausgehauen haben.

 

Dienstag, 5. Juli: Wanderung entlang des «Caminito del Rey»
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 37°C

Der Caminito del Rey scheint eine sehr beliebte Destination zu sein. Die Eintrittskarten haben wir deshalb bereits vor 5 Tagen in der Finca La Meica gekauft. Als einer der gefährlichsten Wege weltweit abgestempelt, hat er zwar seit seiner Wiedereröffnung im Jahr 2015 nichts von seiner brachialen Wirkung verloren, ist aber durch die baulichen Vorkehrungen «sicherer» geworden. Ursprünglich wurde der Caminito del Rey als «Service-Weg» für die Angestellte des Wasserkraftwerkes errichtet (die Schlucht wurde nördlich vom Dorf El Chorro mit einer Staumauer abgeriegelt). Nachdem das Wasserkraftwerk modernisiert wurde, verlor der Weg seine «Bestimmung», wurde aber von Kletterern, Bunging-Jumpern und sonstigen Abenteurern entdeckt. Nach mehreren Todesfällen sperrten die Behörden im Jahr 2000 den Weg «definitiv».

Um der ärgsten Hitze des Tages zu entfliehen, haben wir eine geführte Tour für 17:00 gebucht. Der Caminito del Rey befindet sich zu dieser Tageszeit im Schatten. Eine junge und «sehr» dynamische Frau (hätte eher zu einer Aerobic-Session gepasst) führt uns durch die Schlucht, erzählt uns Facts & Figures über den Caminito del Rey und macht uns regelmässig auf die Gefahren, die wir auf dem Weg antreffen, aufmerksam.

Wenn man Bilder vom Caminito del Rey im Internet anschaut, erhält man zwar eine gewisse Idee wie es in Realität aussehen könnte, ist man aber selbst vor Ort, verschlägt es einem richtiggehend die Sprache. Der Steg ist direkt an der senkrechten Schluchtwand angebracht. Beugt man sich über den Handlauf und schaut hinunter, stockt einem der Atem. So ein Blick haben nur Adler und Geier (à apropos: in dieser Schlucht lebt die grösste Geierkolonie Spaniens). Fabrizio friert das Blut in den Adern. Mit einer Hand hält er sich am Stahlseil, das an der Schluchtwand angebracht ist, fest und mit der anderen fotografiert bzw. filmt er. Mit sehr kleinen Schritten läuft er wie auf Eiern und versucht nicht runterzuschauen. Unter uns sehen wir noch Bruchteile des «alten» Caminito del Rey. Er war sehr viel schmaler als der Neue. «Hier liefen sogar Menschen begleitet von Mauleseln durch» erzählt uns «Jane Fonda» und lacht dabei etwas verschmitzt.

Der absolute «Hit» kommt aber gegen Ende: Eine Hängebrücke, die über einem Abgrund von 130 Meter die linke mit der rechten Schluchtwand verbindet, muss überquert werden. Durch diese Engstelle pfeift ein zügiger Wind und bringt die Brücke zum Schwingen. Fabrizio überlegt sich für einen kurzen Moment, ob er nicht besser bis zum Anfang des Caminito zurücklaufen soll als auf allen Vieren darüber zu «kriechen». Wir überleben dieses «Abenteuer» ohne Schrammen und kehren unversehrt zum Campingplatz zurück.

 

Mittwoch, 6. Juli: Ardales – Ronda
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 35°C (weit und breit keine Wolken und kein Regen in Sicht!)

Wir verlassen den Campingplatz früh am Morgen in Richtung Ronda. Die aufsteigende Sonne liegt noch tief über dem Horizont und lässt die frisch abgeernteten Getreidefelder goldig leuchten. Es ist praktisch windstill. Die Hügel spiegeln sich im ruhigen Wasser des Stausees «Embalse del Conde de Guadalhorce» und bieten ein sehr gutes Fotomotiv (welches Fabrizio sich nicht entgehen lässt).

Im Dorf Carratraca steigt unsere Piste in die «Sierra Pietra» hinauf. Vorbei an ehemalige Diamantenminen geniessen wir von oben eine uneingeschränkte Sicht über die Ebene rund um die Dörfer Casarbonela und Alozeina. Die Stadt Marbella wäre in Sichtweite. Jedoch versperrt uns der Dunst oder Staub, der in der Luft liegt, den Blick zum Meer.

Im für seine Thermalbäder bekannten Dorf Tolox beginnt der zweite Teil unserer heutigen Route. Diese führt uns über eine Steigung von 600 Höhenmeter innerhalb von 10 km zum Parque Natural de la Sierra de las Nieves. Die Piste ist sehr steil, steinig und teilweise ausgesetzt. Hannibal macht es nichts aus. Flott und unermüdlich wie eine Bergziege klettert er die Bergflanke hinauf ohne zu murren. Das Panorama ist jede Anstrengung Wert. Wir fühlen uns in die Pyrenäen versetzt. Aber auch auf knapp 1300 m ü. M. ist die Hitze immer noch unerträglich. Als wir eine kurze Pause einlegen möchten, empfängt uns ein heisser Wind. Der Schweiss fliesst in Strömen und wir suchen schnell Schutz in Hannibals klimatisierter Kabine.

Heute peilen wir die berühmte Stadt Ronda an. Wir haben noch wage Erinnerungen aus unserem Erstbesuch im Jahr 1989. Im grosszügig angelegten Camping El Sur, 1.5 km ausserhalb von Ronda, schlagen wir unser Camp auf.

 

Donnerstag, 7. Juli: Ronda
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 36°C (die zweite Hitzewelle ist bereits unterwegs)

Nach knapp zwölf Wochen Reisen ist der Moment gekommen, um eine Zäsur zu machen. Die sehr hohen Temperaturen (die im Inland und teilweise auch an der Küste bis zu 40°C und mehr erreichen) zwingen uns, unsere Reisepläne zu hinterfragen. Die angekündigte zweite Hitzewelle heisst nichts Gutes für uns. Eigentlich wollten wir viel wandern, aber unter diesen Umständen liegt dies nicht mehr drin. Darüber hinaus steht Anfang August Spaniens Hauptferienzeit an, was bekanntlich zur «Verstopfung» der Campingplätze führt und unsere, meist sehr spontane Tagesplanung, erschweren bzw. verunmöglichen wird. Also … «Quo Vadis»? Oder sitzen wir die Hitzewelle aus und warten auf eine Abkühlung der Temperaturen oder versuchen wir etwa, bis zur atlantischen Küste Portugals zu gelangen, um dort die kalte Meeresbrise zu geniessen (zurzeit herrschen dort auch teuflischen Temperaturen)? Vor allem beschäftigt uns jedoch die Frage, ob wir überhaupt noch nach Marokko (im Moment liegen dort die Temperaturen auch um/über 40°C) fahren sollen. Andere Möglichkeiten wären auch, die restliche Reisezeit in den Pyrenäen (hier liegen die Temperauen um die 30°C) zu verbringen oder nach Hause zurückzukehren und dort unsere Reisen im 2023 vorzubereiten und zu finalisieren?

Fragen über Fragen.

Nach langem Überlegen haben wir die «ideale» Lösung gefunden: wir kehren zurück in die Schweiz und besuchen Marokko erst im Oktober, November. So haben wir Zeit, das Visum für die USA zu beantragen und unseren Kopf für die kommende Abenteuer freizumachen. Darüber hinaus möchten wir Hannibals Differentialsperre nach dem Zwischenfall im Parque Natural de Alto Tajo überprüfen lassen.

 

Freitag, 8. Juli: Ronda
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 36°C (die zweite Hitzewelle ist angekommen)

Gegen 19:30 machen wir uns zu Fuss in Richtung Stadtzentrum auf. Der Campingplatz ist gut gelegen, das Stadtzentrum von Ronda liegt nur ca. 1.5km entfernt. Wir beide haben, ausser dem Bild der gigantischen römischen Brücke, nur noch wage Erinnerungen von unserem ersten Besuch im Jahr 1989. Fabrizio will unbedingt die Brücke bei Sonnenuntergang fotografieren. Kaum überqueren wir den grossen Eingangsbogen zu Füssen der Altstadt, schon klingt von Weitem rhythmische Musik. Trommeln, Elektrobeats und eine weibliche Stimme aus einem Lautsprecher. Wir sind wie Jagdhunde, die Witterung von einer Spur aufgenommen haben. Wir beschleunigen unsere Schritte (man könnte ja etwas Wichtiges verpassen) … wir rennen fast!

Vor uns ein Umzug: Menschen auf Stelzen schwingen im Rhythmus der Musik farbige Fahnen, andere ziehen Trolleys mit überdimensionalen Figuren, die an solche von Niki de Saint Phalle erinnern, hinter sich her. Es ist Kulturabend. Das Picasso-Museum steht für Besucher offen, ein Flamenco-Gitarrist spielt virtuos im Schatten von rosaroten Oleanderbäumen, ein Tenor singt auf dem Gemeindeplatz eine Arie aus einer uns unbekannten Oper, zwei junge DJs legen Trance-Musik unter der Kuppel einer Gazebo am Rand der schützende Felsenwand von Ronda auf … eine Handvoll wohlernährter Katzen liegen im Schatten von Oleandern und beobachten die vorbeiziehenden Menschen mit Indifferenz (wir rufen sie mit «Maus», «Mietze, Mietze» aber sie machen nicht einmal ihre Augen ganz auf) und einem Hauch Verachtung (sie wissen ganz genau, dass sie kein Futter kredenzt bekommen … so why bother?).

Vom «Mirador La Hoya del Tajo» lässt sich die Brücke «Puente Nuevo» bei Sonnenuntergang am besten ablichten. Wir steigen die gefühlten 300 Höhemeter in die Schlucht hinunter (es sind knapp 50) bis zum Mirador. Die Tageshitze hat sich hier häuslich niedergelassen und erwartet uns mit weit offenen Armen. Wie aus einem lecken Wasserhahn perlen uns Schweisstropfen von der Stirn über das Gesicht. Die Augen brennen. Durch den Sucher der Fotokamera zu fokussieren, erweist sich unter solchen Umständen als schwierig. Liegt die Brücke im «goldigen Schnitt»?

Eine Gruppe Asiaten hat sich – ohne gross zu fragen – vor das von uns gewählte Fotomotiv gestellt. Einer nach dem anderen lässt sich mit dem «Victory Zeichen» und der Brücke im Hintergrund fotografieren. Ein besonders «eifriger» junger Japaner (von der Aussprache her scheint uns sein Herkunftsland Japan zu sein) stolpert den Kopf voran über einen Felsvorsprung und wird von seinen Kumpels um Haares Breite vor dem Absturz in die Schlucht gerettet. Noch etwas unter Schock lacht er verlegen. Als ihm aber die erlebte Situation bewusst wird, setzt er sich hin und starrt eine Weile in den Abgrund hinunter ohne ein Wort zu sagen. Sein noch junges Leben hätte sich schneller vor seinem inneren Auge abgespielt als der Sturzflug gedauert hätte.

Nach unserer Fotosession kehren wir zu Hannibal zurück. Es ist 23:00. Der Asphalt ist immer noch warm. Grillen und Zikaden zirpen laut, ein Hund erschreckt uns als er uns aus dem Nichts anbellt.

 

Samstag, 9. Juli: Ronda
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 36°C (die Hitzewelle hält Ronda weiterhin in seinen Klauen)

Am frühen Morgen (ca. 10.00) besichtigen wir die Stierkampfarena mit seinem aufschlussreichen Museum, das die Geschichte des Stierkampfs seit den Zeiten der Mauren beleuchtet. Es geht dabei um Ehre, Stolz und Manneskraft. Heute werden nur noch einmal im Jahr Kämpfe ausgetragen, in Erinnerung an die guten alten Zeiten und zur Bewahrung der Tradition.

Auch wenn uns der Grund für die weitere Ausübung dieses Brauches verschlossen bleibt – der Stress für die Stiere und Rinder scheint uns zur Belustigung und für den Nervenkitzel von jungen Männern und Publikum ungerechtfertigt – ist die Arena selbst ein architektonisches Juwel und das Museum birgt viele kunsthandwerkliche Schätze, wie die reich verzierten und bestickten Gewänder der Toreros, die in uns Staunen und Bewunderung auslösen.

Den Rest des Tages verbringen wir im Schatten der Sonnenschirme am Pool und ertragen die kreischenden, lärmenden und völlig überdrehten Kinder. Niemand gebietet Ihnen Einhalt, auch dann nicht als ein Deutscher Tourist sie auf die Poolregeln (Spring-, Matratzen- und Ballspielverbot) aufmerksam macht.

 

Sonntag, 10. Juli: Ronda
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 20 – 36°C (die Hitzewelle hält Ronda weiterhin in seinen Klauen)

Ruhetag.

Wir wären gerne noch zwei bis drei Tage länger in Ronda geblieben. Allerdings verfügt der Campingplatz über eine miserable Internetverbindung. So sind wir gezwungen, den ganzen Tag untätig im Schatten zu sitzen und erst gegen 20:00 können wir uns in die weite Welt aufmachen. Dies entspricht auf die Länge nicht unserer Vorstellung von Reisen.

 

Montag, 11. Juli: Ronda – Grazalema
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 18 – 33°C

Den vor Tagen getroffene Entscheid nach Hause zu fahren, wird mit einem kleinen Umweg über Grazalema (aus Nostalgiegründen), einem Stopp in Velez-Blanco, einem weiteren Umweg über Albarracin (an der Küste gelten auf den Campingplätzen Mindestaufenthalte von 4 – 7 Tagen) und dem bereits gewohnten finalen Stopp in Empuriabrava, Figuères, umgesetzt.

Grazalema ist ein hübsches «Pueblo blanco» in einer wilden Berggegend. Beim ersten Besuch Andalusiens einen Ausflug wert. Eine Wiederholung drängt sich nicht unbedingt auf, zumal der Campingplatz der Gemeinde sehr bescheiden und schlecht unterhalten ist. Zur weiteren Erkundung der Gegend – Fabrizio hat im Voraus mehrere Wanderrouten recherchiert – ist es einmal mehr viel zu heiss.

 

Dienstag, 12. Juli: Grazalema – Velez-Blanco
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 18 – 34°C (keine Wolke in Sicht)

Hannibal spult unermüdlich und ohne zu murren Kilometer um Kilometer auf dem heissen Asphalt ab. Total werden es heute über 370 km sein. Als Belohnung werden am Abend seine beiden Tanks mit günstigem Diesel aufgefüllt und die Kühlerhaube für eine gute Weile gelüftet, damit der Motor abkühlen kann.

Die Fahrt über die Provinzen von Sevilla und Granada führt uns vor Augen, wie sehr wir Spanien für seine landschaftliche Vielfalt, seine historischen Städte («cascos historicos») und nicht zuletzt seiner Küche schätzen.

Auf der A-92 kurz vor Guadix verschlägt uns die Canyon-Landschaft den Atem. Nur allzu gern würden wir diese Wüstenlandschaft erkunden, doch die Temperatur an der Frontscheibe lässt diesen Wunsch wie ein der Sonne ausgesetztes Cornet-Glacé zerschmelzen.

Für die Nacht richten wir uns auf dem immer noch beinahe leeren Zeltplatz von Velez-Blanco ein und gehen (heute mit dem Auto) in der «Bar Social» für 21 EUR Tapas essen bevor wir uns erschöpft in Hannibals warme Eingeweihte zurückziehen.

 

Mittwoch, 13. Juli: Velez-Blanco – Albarracin
Wetter: Sehr warm, Temperatur: 18 – 37°C (keine Wolke in Sicht)

Am Abend werden weitere 590 km auf Hannibals Tacho zu Buche stehen. Eine lange Reise aufgrund der an der Küste geforderten Langaufenthalte und der im Landesinnern vielen «auf unbestimmte Zeit geschlossenen» Campingplätze. Vermutlich haben sie die Corona-Zeit nicht überlebt.

Auf unserer Fahrt sehen wir zur rechten Hand die Silhouetten der von uns überquerten bzw. durchfahrenen Gebirgsketten entlang der Mittelmeerküste. Unmerklich werden die Landstriche «grüner» bzw. die kargen Oliven- und Mandelhaine werden durch Pfirsichplantagen und Getreidefelder abgelöst. Die Pinienwälder werden immer weniger, während vermehrt Eichen- und Fichtenwälder die Bergkuppen säumen. Auch heute keine langweilige Fahrt. Kurz vor Teruel wird die Strasse entlang des sich schlängelnden Flusses Turia nochmals kurvenreich und eng. Auf der Flussebene wurden Mais angepflanzt und Pappelplantagen angelegt. Ein heutzutage scheinbar nicht mehr einträgliches Geschäft. Davon zeugen die heruntergekommenen mit vielen verlassenen Häusern gezeichneten Dörfer.

Für einen Stopp bei den sich im besten Fotolicht präsentierenden Muelas reicht die Kraft nicht mehr. Wir ziehen unsere Fahrt direkt bis zum Glutofen Albarracin durch. Als Trost und zur Ablenkung leisten wir uns beim Camping-Restaurant einen köstlichen Salat mit gebratenem Ziegenkäse sowie eine butterzarte Ziegenkeule.

 

Mittwoch, 13. Juli: Albarracin – Empuriabrava
Wetter: Sehr warm (what else?), Temperatur: 18 – 37°C (wer hat die Wolken gestohlen?)

Punkt 08:00 drehen wir die Zündschlüssel. Hannibal springt wie ein junger Gepard an und hat noch keine Ahnung, dass die heutige Strecke 590km lang sein wird. Endstation Empuriabrava, Camping Mas Nou, unser Startpunkt vor 87 Tagen. Unser Weg führt uns von Albarracin nach Teruel, dann über die N-420 nach Alcañiz. Von hier aus nehmen wir die N-211 Richtung Lleida. Von Lleida trotteln wir hauptsächlich entlang der Autovia Mediterranea in Richtung Girona und Figuères.

Das Morgenlicht ist klar und die Strasse bis Teruel noch leer. Nur die Bauern nutzen die noch tiefe Temperatur aus und beginnen, die Getreidefelder zu ernten. Die N-420 erweist sich als Glücksfall. Die Landschaft nach Teruel ist im Morgenlicht einfach grandios. Parallel zur Strasse liegt eine alte und heute nicht mehr benutzte Bahntrassee. In regelmässigen Abständen stehen inmitten vom Gestrüpp und Unrat die Ruinen der Bahnhofsgebäude. Diese Bauten strahlen eine unverfälschte Schönheit aus. Sie wurden architektonisch sehr schön gebaut. Die Bahnlinie muss von grosser Wichtigkeit gewesen sein, obwohl sie, infolge des Bürgerkrieges, praktisch nie benutzt wurde. Im Dorf Alfambra stoppen wir kurz, um das «Castillo Templario de Alfambra» zu fotografieren. Die rote Erde der umliegenden Berge leuchtet wie frisch ausgelassenes Blut.

Von hier an treffen wir auf unzählige entgegenkommende Lastwagen. Sie holen das von den Feldern geerntete Getreide ab und transportieren dieses zu den Genossenschaftssilos. Als sie uns auf der Strasse kreuzen, schwankt Hannibal kurz hin und her wie ein Besoffener auf dem Weg nach Hause.

Nach Alfambra ändert sich das Panorama allmählich. Die bis jetzt so fotogenen Felsen werden durch eine flache und eintönige Landschaft ersetzt. Die Getreidefelder dominieren. Im Dorf Utrillas, kurz bevor wir rechts in die N-211 abbiegen, sichten wir die Stahlkonstruktion des Minenschachtes «Pozo de Santa Bárbara». Hier wurde Kohle im grossen Stil abgebaut. Auf der gegenüberliegenden Talseite ragt ein gewaltiges Kohlenkraftwerk aus dem Boden hinaus.  Ob es noch im Betrieb ist, wissen wir nicht. Es würde sich jedoch als hervorragende Kulisse für einen Science-Fiction-Film eignen.

Nochmals ändert sich nach den Minen die Landschaft. Die flachen Getreidefelder machen den engen und steilen Bergflanken Platz. Dass hier die Erde reich an Rohstoffen ist, verraten die farbigen Erdschichten, die wie die Schichten einer aufgeschnittenen Torte unsere Strasse links und rechts säumen.

Wir erreichen Alcañiz und staunen über das «Castillo de Calatravos», das die Stadt überragt. «Nächstes Mal» sagt Fabrizio mit einem grossen Seufzen. «Vielleicht wenn wir von Marokko via Spanien zurückreisen, machen wir hier einen Stopp» ergänzt er mit enttäuschten Augen. «Für eine Besichtigung ist es wirklich zu heiss!»

Gegen 18:00 erreichen wir Empuriabrava. Wir werden von den noch heissen Sonnenstrahlen und von hungrigen Moskitos sehnsüchtig erwartet. In drei Tagen reisen wir endgültig Richtung Nachhause. Jetzt heisst es noch den Kühlschrank leeren, Olivenöl einkaufen und Hannibal reinigen.

Hasta luego Spanien!

 

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