Griechenland 2023: Reisetagebuch
19. April - 1. Mai
Männedorf - Lefkada
Das Wichtigste in Kürze:
Wir erreichen mit einem halben Tag Verspätung das griechische Festland. In Igoumenitsa müssen wir Hannibal von «Profis» aufbrechen lassen, da wir unsere Schlüssel im Fahrzeug vergessen haben. Wir sind von der grünen und üppigen Vegetation überrascht. Die Küste ist teilweise schroff und die kurvenreichen Strassen verlangen eine aufmerksame Fahrweise. Viele Gedenkstätten erinnern an die zahlreichen Strassenverkehrsopfer.
Das Monument Dance of Zalongo beeindruck uns mit seiner brachialen Erscheinung. Auf der Insel Lefkada angekommen, geniessen wir an einer malerischen Bucht sechs schöne Tage.
19.04. – 22.04.2023, Männedorf – Venedig
Wetter: Im Norden leicht bewölkt, starker Regen im Tessin, sonnig in Venedig
Temperatur: 8 – 17°C
Der angenehme Geruch von Caffè liegt noch wie eine angenehme Erinnerung in der Luft als wir die Tür unserer Wohnung hinter uns abschliessen und uns auf den Weg Richtung Tessin machen. Wir werfen einen letzten Blick in die vertraute Stube. Mit den heruntergelassenen Storen scheinen die mit Bettlacken abgedeckten Möbel im dämmrigen Licht wie Mumien eines ägyptischen Grabes.
Hannibal wartet bereits seit letztem Dezember ungeduldig auf diesen Moment und erwartet uns, stoisch wie ein alter Esel, auf dem Parkplatz vor unserem Haus. Letzte Nacht hat es endlich geregnet. Die Luft ist rein. Nach langer Trockenheit spüren wir förmlich, wie die Pflanzen sich über die Nässe freuen.
Gedanklich gehen wir noch rasch unsere Ladeliste durch. «Haben wir alles dabei?» «Ja» sagen wir unisono. Es ist 10:00 Uhr, wir sind im Plan und wir lassen Hannibals Motor anspringen.
Als wir gegen 15:30 Uhr beim Haus von Fabrizios Schwester in Lugano ankommen, fallen vom Himmel vereinzelt Regentropfen. Wolken hängen tief über der Bucht von Lugano und verheissen nichts Gutes. Mit Donner und starkem Wind kündigt sich die Regenfront an, die gegen Abend ihre Schleuse über uns öffnet.
Wir bleiben noch einen Tag, kaufen noch ein paar Dinge ein (wir haben doch noch etwas zu Hause vergessen!) und trinken den besten Caffé schweizweit im Restaurant Mauri in der Nähe der Piazza Riforma.
Freitagmorgen konsultieren wir kurz das Google-Orakel. Gemäss den Wetterfröschen wird in Venedig die Sonne auf uns warten. Dann … nichts wie weg. Der Pendelverkehr rund um Lugano hat aber alle Strasse verstopft. Geduldig «pflügen» wir uns durch die Blechlawine und es dauert eine Weile, bis wir uns in den Verkehr der Autobahn einfädeln können. Als wir die Umfahrung von Mailand erreichen ist der Verkehr sehr stark. Diverse Baustellen verschlimmern die Situation beträchtlich. Für 100 km benötigen wir 2 Stunden. Nicht, dass wir es eilig hätten, aber die Umgebung ist alles anderes als schön. Industriegebäude, Wohnsilos nach altem sowjetischem Baustil, Bauruinen und haufenweise Unrat säumen beidseitig die Autobahn. Ein Geruch von Bremsbelägen, abgenutzten Kupplungen, Abgasen und verbranntem Plastik begleitet uns wie eine lästige Fliege. Erst als wir Bergamo erreichen, wird die Umgebung lieblicher. Wir sichten die Rebberge der Soave-Region, hoch in den Hügel die des Proseccos, eine Palladio-Villa taucht unvermittelt in einem majestätischen Garten auf, etliche Burgen und wunderschöne Bauernhöfe aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts säumen die Schnellstrasse, die hier eine gerade Strecke ist. Der Verkehr fliesst ohne einen einzigen Stau flüssig bis nach Venedig.
Kurz vor Venedig biegen wir Rechts ab und übernachten im wunderschönen Camping Fusina. Dieser Camping liegt inmitten eines schattenspendenden alten Baumbestandes und ist strategisch perfekt für ein Besuch von Venedig gelegen. Vor der Einfahrt steht die Anlegestelle eines Motorboot-Taxis, das dich in die Nähe der Piazza San Marco führt. Vor uns schieben Schlepper in regelmässigen Abständen Kreuzfahrts- und Cargoschiffe in und aus der Lagune.
An der Anzahl Wohnwagen, die wir hier antreffen, sind die Touristen-Nomaden bereits unterwegs. Der Campingplatz ist gut gefüllt. Die üblichen Verdächtige stehen hier in Reih und Glied: Deutsche, Niederländer, viele Italiener sowie ein paar verlorene Schweizer und Engländer.
22./23.04.23, Venedig – Igoumenitsa
Wetter: sonnig mit sehr ruhigem Meer
Temperatur: 10 – 17°C
Mit 2.5 Stunden Verspätung verlassen wir Venedig in Richtung Igoumenitsa (Griechenland). Im Gegensatz zur Fähre nach Marokko, scheint die Asterion II sauberer und moderner zu sein. Obwohl wir nur noch eine Innenkabine ergattern konnten, ist diese geräumig und modern eingerichtet.
Der Transfer zieht sich in die Länge. Als wir endlich in Igoumenitsa eintreffen hat sich die Verspätung auf knapp vier Stunden summiert. Um 22:45 verlassen wir den Bauch der Fähre und erreichen den Campingplatz Kalami im Dunkeln. Vor uns stehen bereits zwei weitere Schicksalsgenossen auf dem Eingangsparkplatz herum wie bestellt und nicht abgeholt. Niemand empfängt uns. Nach knapp 10 Minuten schaut der Besitzer vorbei und weist uns zu unseren Stellplätzen. Im Hintergrund heisst uns das beruhigende Plätschern der Wellen «Willkommen in Griechenland». Wir richten unser Nest im Nu ein und schlafen sehr schnell ein.
24.04.23, Igoumenitsa
Wetter: sonnig
Temperatur: 10 – 17°C
Gegen 10:00 Uhr am Morgen machen wir zum ersten Mal die Augen auf. Unsere Nachbarn laufen schon auf vollen Touren, die ersten Flaschen Wein tauchen bereits auf ihren Campingtischen auf.
Nach den gestrigen «Strapazen» gehen wir es heute ruhig an. Na ja, … spätesten gegen 22:30 Uhr ist es Schluss mit ruhig! Ob der süss-klebrige Rosèwein, den wir zum Nachtessen getrunken haben, schuld am Schlamassel ist, wissen wir nicht … aber es geschieht unerwartet und wird kostspielig: wir schliessen uns aus Hannibal aus. Panik kommt auf! Was jetzt?
Nachdem wir unterschiedlichen Optionen durchgegangen sind (und danach alle verworfen haben), eilen wir nach Hilfe suchend zum Campingbesitzer. Er schaut uns etwas verdutzt an, greift nach dem Telefon und ca. eine Stunde später tauchen zwei zweifelhafte Individuen in einem grossen schnittigen BMW auf dem Parkplatz auf. Sie öffnen ihren Koffer, wechseln ein paar Sätzen untereinander und mit einer Handvoll Handwerkzeug machen sie sich an die Fahrertür ran. Zuerst wird die Türe mit einer Art Schuhlöffel gespreizt, dann wird ein kleines aufblasbareres Luftkissen in die entstandene Spalte eingeführt und mit einer Handpumpe aufgeblasen. Mit einem Hacken und einer geübten Handbewegung wir der Türknopf nach oben gezogen und … die Tür geht auf. Das Ganze hat nicht einmal fünfzehn Minuten gedauert. Gemäss den «Helfern» hätte die ganze Operation schneller vonstattengehen können, wäre kein Sichtschutz an den Fenstern angebracht gewesen. «Wir konnten das Türknopf nicht sehen» entschuldigt sich einer der Beiden nach getaner Arbeit. Mit Hundertfünfzig Euros in der Tasche verschwinden sie in der tiefen Nacht so unmittelbar wie sie gekommen waren.
Am Morgen danach witzeln wir mit dem Campingbesitzer «Die beiden Typen gestern Abend, … die haben nicht zum ersten Mal ein Auto aufgebrochen … oder?». Etwas verlegen schaut er uns an, hebt seine Schultern, als ob er sagen wollte «ich weiss es nicht».
25./26.04.23, Igoumenitsa – Insel Lefkada
Wetter: sonnig mit kurzem Schauer
Temperatur: 10 – 18°C
Wir verlassen Igoumenitsa in Richtung Süden und folgen der Küste bis Pidima Kiras. Wir staunen über die üppige dichte Macchia, die die Küstenstrasse säumt.
Hier hat es im Frühling viel geregnet. Am Strassenrand tauchen in regelmässigen Abständen farbige Miniaturkapellen auf. Die einen scheinen erst kürzlich aufgestellt worden zu sein, andere wiederum sind bereits der Wirkung der Witterung zum Opfer gefallen. Manchmal sind sie aus Metall gebaut, manchmal aus Zement. Sie stehen häufig auf einer Betonsäule. Ein kleines Glasfensterchen gibt Einblick in das «Innenleben» dieser Kapellen: Mehrere Plastikflaschen (0.5l), Kerzen und ab und zu die Abbildung eines Heiligen sind zu sehen. Sind diese Gedenkstätten einem Heiligen gewidmet, rätseln wir. Am kommenden Tag löst sich das Geheimnis auf. Es sind Schreine, die Strassenverkehrsopfern gewidmet sind … in dieser Gegend gibt es davon erstaunlich viele.
In Pidima Kiras übernachten wir auf dem Camping Nissos, eine neue Anlage inmitten von schattenspendenden Olivenbäumen. Obwohl erst kürzlich gebaut sind die sanitäre Anlage sehr schmutzig und ungepflegt. Schade … sehr schade, weil die Sicht auf das Meer und der lange Sandstrand sehr reizvoll sind. So brechen wir am nächsten Morgen wieder auf.
Auf dem Weg zur Insel Lefkada besuchen wir im Landesinnern das Monument Dance of Zalongo. [Es gedenkt dem Massenselbstmord der Frauen von Souli, die nach dem Einmarsch der osmanischen Truppen am 16. Dezember 1803, aus Angst und Furcht vor den Angreifern mit ihren Kindern über die Klippen in den sicheren Tod sprangen. Wikipedia]. Wir parkieren Hannibal auf dem Parkplatz des Klosters Agia Dimitrios, von wo steile Treppenstufen in 15 Minuten zum Denkmal hinaufführen. Die Skulptur wurde in den fünfziger Jahren am Rande eines Felsenvorsprunges errichtet. Von hier oben bietet sich eine super Sicht über die Küstenebene.
Hinter uns sind die Bergspitzen immer noch mit Schnee bedeckt … lasst uns hoffen, dass dieser in ein paar Wochen endgültig verschwunden sein wird.
Unser Weg nach Lefkada führt über Arta. Der riesige Umweg (+80 km) über enge kurvenreiche Strassen entlang des «Ambrakischer Golf» ist aus unserer Sicht nicht wirklich lohnend. Um 18.30 erreichen wir erleichtert den sehr hübsch gelegenen Camping Desimi Beach auf Lefkada.
26.04. – 01.05.23, Insel Lefkada
Wetter: sonnig … es weht aber ein garstig kühler Wind
Temperatur: 10 – 20°C
Uns fällt auf, wie die Nächte – abgesehen von ein paar streitenden Katzen – ruhig sind, keine bellenden Hunde, die uns die ganze Nacht auf Trab halten, wie in Spanien und Marokko.
Lefkada scheint noch in einem Dornröschen-Schlaf zu verweilen. Die Geschäfte und die meisten Campingplätzen bereiten sich auf den grossen Ansturm in den kommenden Monaten vor, sind aber noch geschlossen. Es wird emsig gereinigt, gestrichen und aufgeräumt. Der Winterstaub muss weg. Einzig die Souvenirläden mit ihrer allgegenwertig kitschigen Ware «made in China» scheinen den Winter ohne Winterschlaf überstanden zu haben.
Dessimi Beach – Tag 1: Wir … wir tun heute nichts! Wie geniessen einfach den bezaubernden Blick in die kleine Bucht, lassen uns die Haare von einer bissigen kalten Brise zerzausen und wechseln ein paar Worte mit unserem Camping-Nachbarn.
Dessimi Beach – Tag 2: Es wird Zeit, uns die Beine zu vertreten und Hannibal braucht ebenfalls Bewegung. Wir machen einen Ausflug ins Inselinnere. Zypressen (wie gerade Pinselstriche auf einer gigantischen Leinwand), Olivenbäume und alte Eichen charakterisieren das Karstgebirge. Von den Bergrücken lassen sich die kleinen Inseln vor der Küste in ihren wunderschönen lieblichen Formen wunderbar betrachten.
Wir durchqueren pittoreske und halbverlassene Bergdörfer. Kurz nach Alexandros parkieren wir Hannibal im Schatten einer Eiche und wandern während vier Stunden durch die umliegenden Wälder zum Skaros Aussichtspunkt. Wir treffen auf einen friedlichen Hund und ein Paar zerzauste Geissen (im Gegensatz zu uns, scheint ihnen der Wind keinen Kummer zu bereiten).
Dessimi Beach – Tag 3: Hat sich die heutige rund 90 km lange Erkundungstour gelohnt? Zumindest hat sie die Neugierde auf die Westseite der Insel mit ihren wunderbaren, türkisblauen «Karibikstrände» gestillt. Die Strasse zum viel gepriesenen Porto Katsiki-Strand ist eng und steil abfallend. Einen Zusammenstoss mit einem uns entgegenkommenden Raser können wir nur um Haaresbreite vermeiden. Links und rechts der Strasse wird fleissig an neuen Feriendomizilen gebaut. Unten angekommen weist uns ein unfreundlicher Wärter den Weg zum Parkplatz. 5 Euro für eine Stunde scheint uns gar viel. Entschlossen legt Fabrizio den Rückwärtsgang ein und manövriert Hannibal zur Ausfahrt. Einen solchen Abriss wollen wir nicht über uns ergehen lassen. 500 m weiter an einer kleinen Ausbuchtung stoppen wir. Zuerst erkundet Fabrizio und dann ich den so begehrten Strand. Die Bucht ist hübsch aber sehr sehr touristisch …
Nach einem typischen griechischen Mittagessen (griechischer Salat, grilliertes Gemüse, Gyros) in einer verschlafenen Taverne fahren wir die rund 10 km zum Kap Lefkas hinaus. Den besten fotogenen Blick auf den Leuchtturm kann man rund 1-2 km vor dem eigentlichen Ziel von einem Hügel aus erhaschen…
Der Ausflug war ganz nett, wird aber keine bleibenden Emotionen hinterlassen. Wir sind froh, als wir zum Zeltplatz Desimi Beach «heimkehren» und bevor wir schlafen gehen, bei einem Tee die magische Stimmung dieser Bucht verinnerlichen können.
Desimi Beach – Tag 4: Der heutige Tag ist der näheren Umgebung gewidmet. Wir spazieren durch wilde Olivenhaine nach Vlycho, das in einer sehr hübschen windgeschützten Bucht liegt, wo viele Segelschiffe überwintern, trinken einen Kaffee mit typischem griechischen Gebäck, halten das skurrile Bild der hinter einem Friedhof liegenden Schiffswerft fest und lassen uns auf dem Rückweg von ein paar Regentropfen besprenkeln.
Dem kühlen und eher regnerischen Wetter geschuldet ändern wir unseren Plan und werden morgen nach Delphi und nicht in die Berge und über einen Track auf den Peloponnes fahren.