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Rikavačko Jezero See: die wohlverdiente Ruhe Hannibals
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  • Beitrag zuletzt geändert am:Februar 7, 2025
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Montenegro 2023: Reisetagebuch

4. - 8. August

Shkodra (Albanien) – Plav (Montenegro)

Das Wichtigste in Kürze:

Wir verlassen Albanien und betreten wieder einmal ein Land, das wir überhaupt nicht kennen: Montenegro. Am Rikavačko Jezero See staunen wir über die atemberaubende Berglandschaft. Das Wetter meint nicht gut mit uns. Während drei Tage regnet es in Kübel und wir suchen Schutz in einer kleinen Hütte auf dem Eko Katun Koljievka und frieren uns dabei die Knochen ab. In Plav sitzen wir in einem gemütlichen Holzhaus das schlechte Wetter aus.

 

04.08.23 Shkodra – Rikavačko Jezero See
Wetter: Sonnig und heiss.
Temperatur: 18 – 27°C

Wir verlassen Shkodra (Albanien) und betreten wieder einmal ein Land, das wir überhaupt nicht kennen: Montenegro. Um 10:00 Uhr morgens stauen sich bereits unzählige Personen- und Lastwagen vor den Schranken des montenegrinischen Zolls von Hani i Hotit. Die Formalitäten sind relativ schnell erledigt. Nach ca. 25 Minuten werden wir „frei gelassen“.

Die ersten Eindrücke entlang der Strasse: überall wilde Abfalldeponien, chaotische Siedlungen, viel Verkehr und das berühmte Doppelparken im Zentrum …

In Tuzi besorgen wir uns eine neue SIM-Karte und tanken Hannibal auf. dann geht’s ab auf eine von Fabrizio zusammengestellte Route. Unser heutiges Ziel ist der Rikavačko Jezero See, ein kleiner Bergsee, der an der süd-östlichen Grenzen des Nature Park Komovi liegt.

Östlich von Tuzi folgen wir dem Fluss Cijevna bis zum Dorf Korita. Im Dorf Seliste verlassen wir die schmale geteerte Strasse und tauschen sie mit einer steinigen und sehr holprigen Piste aus. Im Schritttempo überwinden wir auf den nächsten fünf Kilometern knapp 500 Höhenmeter. Die Natur um uns herum ist sehr trocken. Wir riechen diese Trockenheit förmlich. In Delaji zieht ein grosses Monument zur Ehre Mutter Theresas unsere Aufmerksamkeit auf sich: Ein gewaltiges weisses Kreuz und eine Jesus-Skulptur mit weit ausgebreiteten Armen (ähnlich der Christus-Statue vor dem Zuckerhut von Rio de Janeiro … nur wesentlich kleiner) verabschieden die Reisenden an der Dorfausfahrt.

Mutter Theresas Denkmal

 

Das wahre Highlight des Tages beginnt nach dem Dorf Korita, das aufgrund seiner Häuser mit farbigen Dächern uns stark an Island erinnert. Bald darauf tauchen wir tief ins hochalpine Karstgebirge ein, pflücken süsse Walderdbeeren und kommen entlang von sehr steinigen und holprigen Strassen immer wieder an gepflegten, noch bewirtschafteten Alpen vorbei.

Am Rikavačko Jezero (ein Bergsee) angekommen treffen wir auf eine belgische Familie, die mit einem riesigen Offroad-Wohnmobil unterwegs ist. Wir wundern uns, wie sie es auf dieser teilweisen sehr ausgewaschenen und holprigen Piste bis hierher geschafft hat. Im Gespräch bestätig uns Evan, dass es ein Kraftakt gewesen ist und sie dabei den hinteren Unterfahrschutz beschädigt haben. Er befragt uns zum Zustand der Piste bis Korita und ob sie mit seinem Wohnmobil zu bewältigen sei. «Aufgrund der Überlänge eures Fahrzeugs, des in den steilen Passagen sehr lockeren Pistenuntergrunds und der engen Kurven müssen wir euch davon abraten, darüber hinaus wird es morgen stark regnen, was das ganze Unterfangen noch erschweren wird», antworten wir.

Als wir uns später zu Bett legen, läuft eine Gruppe Fischer an Hannibal vorbei. Sie werden bis spät in die Nacht mit Taschenlampen und Köder versuchen etwas an den Hacken zu kriegen. Ob sie dabei von Erfolg gekrönt waren, werden wir nie erfahren.


5.8.23 – Rikavacko Jezero See – Eko Katun Koljievka

Wetter: Zu Beginn bewölkt, dann regnet es in Kübel.
Temperatur: 14 – 17°C

Die Nacht ist kühl gewesen. In regelmässigen Abständen haben starken Windböen uns aus dem Schlaf gerissen. Fabrizio steht sehr früh auf. Der Himmel ist bewölkt, die Berge sind bereits vom goldigen Licht der aufgehenden Sonne umhüllt. Diese perfekte Stimmung lässt nicht erahnen, dass knapp drei Stunden später sich die Himmelschleusen über uns öffnen werden. Im Bewusstsein, dass Regen im Anmarsch ist, bereiten wir schnell unser Frühstück vor, packen unsere Sachen ein und verlassen diesen sehr idyllischen Ort. Hinter dem Bergkamm donnert es bereit und einzelne Blitze kündigen an, dass etwas Nasses auf uns wartet.

Diese Wetterlage verlangt eine Planänderung. Wir entscheiden auf dem schnellstmöglichen Weg in die Zivilisation zurückzufahren. Nach etwa 1 1/2 Stunden erreichen wir ein schmales Teerband. Gerade als Fabrizio daran ist die Reifen wieder auf «Teerstrassen-Druck» aufzupumpen, beginnt es zu regnen. Der Regen wird immer heftiger und die Sicht verschlechtert sich stetig. Fast im Schritttempo erreichen wir die Hauptstrasse in Matesevo. Von hier folgen wir zuerst dem Fluss Drcka dann drehen wir links in Richtung Kralje ab. Der Regen lässt kaum nach und der Gegenverkehr auf dieser schmalen Bergstrasse ist heftig. Da die Montenegriner (wie die Albaner) kaum von der Strasse weichen, sind wir mit Hannibal gezwungen, an den Fahrbahnrand auszuweichen, was nicht ungefährlich ist, da neben der Trasse tiefe Entwässerungskanäle anschliessen…

Kurz nach Tresnjevik stoppen wir in einem kürzlich eröffneten Strassenkaffee. Wir bestellen zwei Cappuccinos und erhalten wenig später zwei Wienerkaffees mit Schlagrahm. «Das ist unser Special-Cappuccino» versichert uns der Besitzer als er unsere erstaunten Gesichter bemerkt. Speziell am Cappuccino ist am Ende nur der Preis, 5 Euro! Highlight des Strassen-Kaffees ist ein süsses Kätzchen (das Maskottchen des Hauses), mit dem wir gerne eine Runde Katz und Maus spielen.

Als wir in Kralje ankommen, haben wir unser heutiges Ziel noch nicht konkretisiert: Fahren wir bis nach Plav und suchen uns dort eine Übernachtungsmöglichkeit (mit diesem Regen ist Wildcampen wenig sexy) oder gehen wir irgendwo anders hin? Wir stoppen in einem Restaurant, das sich weit weg von der Hauptstrasse zwischen Forellenzucht-Becken versteckt hält. Wir sind die ersten Gäste. Wir bestellen Schweins- und Kalbssteak mit Pommes und bekommen je ein halbes Kilo Fleisch serviert.

Kampfflugzeug auf dem Dorfplatz von Kranje


Nach dem Mittagessen und mit vollen Mägen entscheiden wir, uns ein Zimmer auf einer Alp zu gönnen. Sabine recherchiert kurz im Internet und wir finden das Eko Katun Kolijevka, das nicht so weit weg von uns liegt. Kurz vor Berane fahren wir rechts weiter Richtung Lubnice. Nach knapp 5 km zweigt eine Piste rechts von der Hauptstrasse ab. Anfänglich ist sie geteert, danach wird sie holprig.

Die Gegend ist eine Augenweide, die Unterkunft sehr sehr einfach. Unser Häuschen ist knapp grösser als eine Hundehütte. Zwei Betten, ein Nachttischchen mit einer Batterie für die Versorgung einer Glühbirne und eine Tür mit Spalten, die dem eisigen Wind kaum Paroli bieten kann, bilden die vorhandene Infrastruktur. Eine gemeinsame Toilette und Dusche für die Gäste und die Gastwirtin (für Warmwasser muss vorher der Holzherd im Häuschen der Gastgeberin angefeuert werden) runden das Ganze ab. Eco im wahrsten Sinn des Wortes.

Das Gästehütten und das «Restaurant» werden während der Sommermonate von einer jungen Frau zusammen mit ihrem Sohn geführt. Sie ist ausgebildete Krankenschwester und arbeitet in diesem Beruf im Winter. Sie scheint von diesem Job genug zu haben, weil sie vom Leben auf der Alp (obwohl sehr anstrengend) nur so schwärmt.


6.8.23 – Eko Katun Kolijevka – Tag 2
Wetter: Bewölkt und neblig, Regenschauer in regelmässigen Abständen
Temperatur: 10 – 15°C

Nach einer kühlen Nacht wird uns – wir sind immer noch in Decken eingepackt – ein deftiges Frühstück mit Wurst, Spiegelei und Käse draussen auf der Terrasse serviert. Die Sonne schaut ab und zu hinter ein paar nicht allzu dunkeln Wolken hervor und animiert uns zu einem kleinen Spaziergang zum idyllischen Pesica Jezero, einem Bergsee. Wir treffen auf Sportler, die scheinbar hier einen Bergmarathon absolvieren. Als sie an uns vorbeiflitzen nehmen wir kaum ihren Atem wahr.

Auf unserem Rückweg kommen wir nur sehr langsam vorwärts. Die süssen Blaubeeren sind eine zu grosse Verlockung.

Kaum sind wir bei unserem Häuschen zurück, beginn es kräftig zu regnen. Ein frischer Wind weht durch die mit etlichen Spalten versehene Tür. Wir verkriechen uns für den Rest des Tages unter die dicke Bettdecke.


07.08.23, Eko Katun Kolijevka – Plav
Wetter: Bewölkt und nebelig, am Nachmittag heftige Regenschauer
Temperatur: 10 – 25°C

Das Wetter hat sich kaum verändert. Heftige Böen fegen über die Bergkuppen. Wir sind verunsichert. Können wir unter diesen Bedingungen unsere geplante Almen-Tour «sicher» fortsetzen? Sind die Pisten nicht zu stark durch den Regen in Mitleidenschaft gezogen worden? Wir fragen die Gastgeberin, die uns von diesem Vorhaben abrät. «Sie haben die Pisten gestern gesehen … morgen können diese komplett anders aussehen» ist ihre plakative Antwort.

«Was machen wir jetzt?» fragen wir uns etwas aus dem Konzept geworfen. Wir müssen eine von den garstigen Witterungsverhältnissen besser geschützte Bleibe finden, um in Ruhe über die Weiterfahrt nachdenken zu können. In Berane machen wir uns auf die Suchen nach einer Bar mit WIFI. Nach einer langen «Irrfahrt» durch den starken Innenstadtverkehr und der vergeblichen Suche nach einem Parkplatz finden wir im Hotel Lukas einen angenehmen Ort, um in Ruhe einen Cappuccino zu trinken und mit Unterstützung der guten Internetverbindung einen Schlachtplan für die nächsten Tage zu entwickeln.

Wir entscheiden uns, nach Plav weiterzufahren, dort ein Ferienhäuschen zu mieten und das miserable Wetter auszusitzen. Vielleicht, wenn das Wetter wieder zu Vernunft kommt, werden die Pisten austrocknen und uns eine sichere Fahrt durch die wunderbare Landschaft erlauben.

Unterwegs besuchen wir das Monument of Victory (Spomenik na Jasikovcu). Eine ausserhalb von Berane liegende Gedenkstätte, die an die Tausenden von Soldaten und Zivilisten der Region erinnert, die während des Nationalen Befreiungskrieges (Zweiter Weltkrieg) ums Leben kamen.


08.08.23, Plav
Wetter: Dunkle Wolken am Morgen, Aufhellung gegen Mittag, Sonnenschein am Abend
Temperatur: 8 – 21°C

Das Ferienhäuschen ist für montenegrinische Verhältnisse sehr luxuriös und auch gemütlich. Der Blick über den Plavsko-See und die grünen Hügel hinweg ist magisch und beruhigend. Ebenso die im Garten gackernden Hühner.

So entscheiden wir am Morgen noch einen Tag länger zu bleiben und die Kochkünste der Gastgeberin zu testen. Sie wird uns am Abend eine Forelle zubereiten.

Nach einem gemütlichen Morgenessen machen wir uns zu Fuss zur etwa 4 km entfernten Kleinstadt Plav auf. Der Weg führt uns über bunte Wiesen am Waldrand und am blaugrünen See entlang. Im Zentrum angekommen herrscht das übliche Autochaos vor. Hochmotorisierte Montenegriner und Migranten verstopfen die Hauptstrasse, ein Schaulaufen der grossen Karren.

Schnellstmöglich flüchten wir in die Seitengassen auf der Suche nach dem historischen Wohnturm Redžepagića Kula, dessen Türe leider für uns verschlossen bleibt. Zuerst sichten wir aber den steil zum Himmel aufsteigenden Turm der Moschee Redzepagica, die wie der Wohnturm von den Osmanen errichtet wurde.

Vom historischen Plav, das bis 1913 zum osmanischen Reich gehörte, ist nur noch wenig erhalten. Die alten Häuser sind meistens unbewohnt, scheinen wenig Beachtung zu erhalten und sind von fertigen oder halbfertigen Neubauten umgeben.

Auf dem Weg nach Hause treffen wir auf die eine oder andere Kuriosität: Was hat der Gepard aus Beton bei der Eingangspforte zu suchen oder wie viele Waschmaschinen braucht ein Einfamilienhaus oder warum ziert den Geschäftseingang das Schild «Waffen tragen verboten»?

Jetzt sind wir Zuhause und warten gespannt auf die Forelle. имају добар оброк.

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