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  • Beitrag zuletzt geändert am:Januar 28, 2025
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Spanien 2021: Reisetagebuch

5.- 12. August

Las Bardenas Reales - Polientes

 

Das Wichtigste in Kürze:

Unsere Stippvisite im Rijoa-Gebiet mit seinen köstlichen Weinen und monumentalen „Bodegas“. Die Stadt von Tarazona mit seinen gewaltigen kulturhistorischen Gebäuden. Unser epochalen Nachtessen im Restaurant „Terete“ in Haro.

Das Dorf von Peñacerrada, der neben zwei sehr schön erhaltene Wehrtürme und ein schmuckes Dorfzentrum auch über ein sensationelles ethnologisches Museum verfügt. Die Führung durch die 7000 Jahren alten «Salinas de Añana». Die Umgebung von Polientes mit seinen Felsenkirchen.

 

 

Donnerstag, 5. August – Donnerstag, 12. August, Las Bardenas Reales – Polientes
Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 35°C

Wir weichen von der ursprünglichen Idee, nach den «Bardenas Reales» in Richtung Küste – und nach San Sebastian und Bilbao zu fahren – ab. Wir treffen auf eine spanische Familie, die uns von den bis auf die letzte Reihe (über-) gefüllten Campingplätze erzählt. Die Küste sei unter Belagerung und das Wetter ist regnerisch. Wir versuchen deshalb, Galizien auf dem «Landweg» zu erreichen.

… nicht ohne eine Stippvisite im Rijoa-Gebiet. Der Rebbau ist hier (kein Wunder) der Hauptzweig der Landwirtschaft. Unsere Route führt uns zuerst nach Tarazona, eine Stadt, die viel in Bezug auf Historie zu bieten hat, südlich an Logroño (die Grossstadt des Rijoa-Gebiets) vorbei, nach Fuenmajor. Von hier aus fahren wir, nach einer lärmigen Nacht auf dem Campingplatz, nach Laguardia, Elciego, Briones und Haro (die Hauptstadt des Rijoas) weiter.

Würde man hier bei jeder Bodega einen Degustations-Stopp machen, wäre ein Jahr nicht genug. Abgesehen davon, dass die kurvenreichen Strassen dem sicheren Fahren nicht entgegenkommen würden. Der Weinbau hat hier Leuten reich gemacht. Die erfolgreichsten unter ihnen haben ihre Weinkeller von berühmten Architekten zu eigentlichen «Kathedralen» (manchmal vom zweifelhaften Geschmack) erbauen lassen. So die Bodega Ysios, nördlich von Laguardia, die 2001 von Calatrava gebaut wurde. Sie erinnert eher an ein futuristisches Gotteshaus als an einen Weinkeller. Hier fragt man sich, ob ein solcher Bau die Qualität des dort produzierten Weins repräsentieren soll oder eher das Ego des Besitzers. Weine von Ysios konnten wir keinen degustieren, da man hier nur auf Reservation reinkommt. Ein Wächter beim Haupteingang ermahnt jeden, der diesem Heiligtum zu nahekommt, an die strikte Regel, dass nur Hotelgäste im Innern willkommen sind.

Im Gegensatz dazu konnten wir eine gemütliche Stunde in der Bodega Javier San Pedro Ortega, die vis-àvis von Ysios liegt, mit Wein-, Käse- und Wurstverkostung verbringen.

In Briones versuchen wir vergeblich zur Bodega Marques de Riscal, die in der Nähe des Hotel los Calaos de Briones liegt, zu kommen. Der Titan-Bau von Frank Gehry ist für Reisende «der» Anziehungspunkt schlechthin. 

Wir besuchen am späten Abend die Hauptstadt der Rioja-Region Haro. Von aussen sieht sie nicht besonders einladend aus. Anonyme Hauserblöcke säumen die Hauptstrasse, geschlossene oder zum Verkauf bzw. zur Vermietung angebotene Geschäfte zeigen, dass wahrscheinlich auch hier Covid seine Spuren hinterlassen hat. Als wir den Hauptplatz erreichen, werden wir von einer festlichen Atmosphäre überrascht. Leute sitzen gemütlich in Bars, die ihre Kunden an Tischen auf dem Platz bedienen, und trinken in laute und animierte Gespräche verwickelt ihre Drinks. Die Abendsonne, die bereits tief über dem Horizont liegt, erfüllt den Platz mit einem warmen Licht. Ein leicht kühler Wind zerzaust die Frisur einer älteren Dame, die sichtlich genervt diese wieder in «Ordnung» zu bringen versucht. Vor unserem Tisch diskutiert eine Gruppe junger Frauen über Kosmetik- «Probleme», hinter uns ereifern sich drei ältere Männer über Messi, der den FC-Barcelona verlassen und zum FC Paris Saint Germain wechseln wird, links von uns teilt sich ein junges Paar einen Tisch, aber jeder ist für sich in sein Smartphone vertieft. Hier wir nicht geredet.

Wir sind bereits seit zwei Monaten unterwegs und wollen dies gebührend feiern. Wir reservieren einen Tisch im Restaurant Terete, das für sein «Cordero asado» bekannt ist. Punkt 21:00 Uhr, erst dann werden die Gäste für das Nachtessen eingelassen, stürmen wir zusammen mit einer französischen Familie, die ebenfalls ziemlich hungrig aussieht, das Lokal.

Wir bestellen das Menü «Reserva», ein Viergang-Menü inkl. Mineralwasser und einer Flasche Crianza aus der Eigenproduktion sowie Café und Brot.

Vorspeise: gebratene Blutwurst, die mit Reis gefüllt ist, begleitet von grillierten und leicht scharfen Peperoni. Einfach köstlich! Die Blutwurst ist in der Konsistenz dank des beigefügten Reises «kernig». Sie erinnert im Aroma nur im Entferntem an unsere.

Erster Gang: Gemüsesuppe (auch eine Spezialität des Hauses). Diese hat eher die Konsistenz von …. mmmm … einer Minestrone, bei der die Flüssigkeit eingedickt wurde.  Sie ist aber nicht «pampig» und hat immer noch «Biss». Als Gemüse wurden vor allem Artischockenherzen sowie Mangold und Erbsen verwendet. Die Konsistenz ist gewöhnungsbedürftig, aber es schmeckt sehr gut. 

Hauptgang: Geschmorte Lammkeule (eine ganze Lammkeule!) mit Salat. Das Fleisch ist butterzart, die Haut ist knusprig. Sensationell!

Dessert (und dies gilt nur für Sabine, da ich langsam wie eine gestopfte Gans aussehe): Kaffeekuchen mit einer Schokoladencrème. Exzellent! … Der Kellner hatte mit mir anscheinend erbarmen (oder kennt er seine Kunden besser als wir denken). Als er Sabine die Nachspeise bringt, bringt er auch zwei Gabeln. So konnte ich, trotzdem, etwas stibitzen,

Der Wein ist zwar gut, hat uns aber nicht gänzlich überzeugen können.

Das Ganze für knappe 40EU/Person.


Sonntag, 7. August

Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 35°C

Wir haben das gestrige üppige Festessen gut überstanden. Die Nach war ruhig und relativ warm. Heute steht uns für unsere Verhältnisse eine lange Strecke in Richtung Galizien bevor.

Wir Besuchen unterwegs das Dorf Peñacerrada, das neben zwei sehr schön erhaltenen Wehrtürmen und einem schmucken Dorfzentrum auch über ein sensationelles ethnologisches Museum verfügt. Hier werden in freizugänglichen Pavillons alte Landwirtschaftsgeräte fein säuberlich ausgestellt. Ich erkenne einige dieser Geräte sofort. Ich habe diese bei meinen Grosseltern in Emilia Romagna Mitte der sechziger Jahre in Einsatz erleben dürfen. Mir bleibt eine Dreschmaschine in Erinnerung. Diese wurde Ende August ins Dorfzentrum gebracht. Die Bauern brachten nacheinander – nach einer mir bis heute unklaren Reihenfolge – ihre Ernte zur Maschine zum Dreschen. Diese war gross, lärmig und hat viel zu viel Staub aufgewirbelt. Vor allem war sie extrem gefährlich. Gewaltige Lederriemen, die allesamt mit der Kardanwelle eines Traktors verbunden waren, haben die Maschine in Bewegung gesetzt. Die Personen, die rund um dieses Ungetüm gearbeitet haben, mussten wahrlich sehr umsichtig sein, um nicht ohne Finger, Hände oder noch schlimmer, ohne einen Arm zurück nach Hause zu kehren. Schön war aber, dass alle Familien gemeinsam ein Festessen gekocht haben und, nach getaner Arbeit gemeinsam mit den Hilfskräften verspeist haben. Das Essen war einfach köstlich.



Kurz vor 15.00 stehen wir beim Eingang des Besucherzentrums der Salinas de Añana im gleichnamigen Dorf. Dieser wir gerade von einem Angestellten geschlossen. «Es geht wieder um  15:45 auf» sagt er uns und verschwindet schnell bei der Hintertüre. Wir bleiben und warten. Zu gross ist unser Interesse an diese bizarre Anlage. Die Gewinnung von Salz begann vor 7000 Jahre und ist bis heute mit unterschiedlichen mehr oder weniger erfolgreichen Methoden weitergeführt worden. Wir buchen eine einstündige Führung und werden nicht enttäuscht.

PS:
Etwas bleibt uns von dieser Führung besonders in Erinnerung: die Frau, die uns durch die Salinen führt und ihre Beine. Unter ihren 3/8-Hosen schauen zwei Beinen hervor, die so haarig sind, wie diejenigen eines asturischen Bären. Als sie uns zu erklären versucht, wie man vermeidet, dass beim Verdampfen des Salzwassers sich Salzklumpen statt «Fleur de Sel» bilden, steigt sie barfuss in eine Salzlacke und rührt die Salzmasse mit einem Holzrechen.

Nach der Führung verweilen wir für einen kurzen Moment im Souvenirladen und erst nach langer und sorgfältiger Überlegung kauften wir zwei Päckchen «Fleur de Sel».

 

Montag, 8. August
Wetter: Sonnig und gegen Abend sehr warm, 20°C – 35°C

Nach einer garstigen Nacht im Camping Angostro in Villañane (ein kalter und starker Nordwind ist über den Campingplatz gefegt, so dass unser belgischer Nachbarn seine Piratenfahne, die er an einem Zeltpfosten angebracht hatte, schleunigst einpacken musste) ist Polientes unser heutiges Ziel. Polientes liegt im Ebro-Tal. Der Ebro ist übrigens der längste Fluss Spaniens. Hier planen wir unsere Weiterreise nach Galizien und besuchen die prähistorischen Felskirchen, die als «Markenzeichen» dieser Gegend bekannt sind.

Polientes scheint abseits vom Touristenstrom zu liegen. Bei den Sehenswürdigkeiten treffen wir wenige bis keine Touristen. Dies lässt uns Zeit, die Attraktionen «richtig zu erforschen» und ein paar Fotos zu knipsen, ohne die ganze Zeit jemanden vor der Linse zu haben. Wir finden die Gegend sehr reizend. Der Ebro hat sich im Laufe der Jahrmillionen einen Weg durch die Felsen «gefräst» und im «Nebenjob» etliche Höhlen aus den Felsenwänden herausgewaschen. Die Höhlen haben sich Gläubige zu Nutzen gemacht, um dort Einsiedeleien einzurichten oder Kirchen zu errichten. Das Sprichwort «Der Glauben versetzt Berge» wird uns hier eindeutig vor Augen geführt. Diverse dieser Gotteshäuser sind frei zugänglich. Der «moderne» Mensch hat sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und hat diese Orte des Glaubens in Toiletten verwandelt.

Jeder hinterlässt seine Spuren: der Ebro in Jahrmillionen mit seiner Erosionsarbeit, die Einsiedler mit der Errichtung von Einsiedeleien und Felsenkirchen, der heutige Mensch mit seinen Nastüchern und Körperausscheidungen. Das stimmt uns sehr nachdenklich und lässt uns über die neuronale Entwicklung des Homo Sapiens Sapiens philosophieren.

 

 

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