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Gosol: der Berg Pedraforca
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  • Beitrag zuletzt geändert am:Januar 28, 2025
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Spanien 2021: Reisetagebuch

7. - 13. Juli

Puigcerdà - Gosol - Cambrils - Pobla de Segur

 

Das Wichtigste in Kürze:

Wir erklimmen mit Hannibal die steilen Hänge des «Paratge Natural d’Interès Nacional del Massís del Pedraforca» Wow … nur noch Wow! In Cambrils essen wir im dortigen Restaurant (schwarze Erbsen in Schweineschmalz gebraten, Pasta, grilliertes Kaninchen sowie gebratene Wachteln) und beobachten, wie jemand (in dreckigen Trainerhosen und verschwitztem T-Shirt) eine Salami aus der Küche mitlaufen lässt.

Über eine sehr schöne Piste im «Coll de Baumort» erreichen wir Puebla de Segur wo wir die majestätischen Bergformationen des „Congost de Collegats“ bestaunen und durchwandern.

 

 

Mittwoch, 7. – Donnerstag, 8. Juli, Gosol
Wetter: Sonne mit leicht kühlem Wind, Temperatur 27°C

Über Stock und Stein gelangen wir am spätem Nachmittag Gosol. Die Piste war heute anstrengend. Steil einem Wald hinauf, dann durch Karstlandschaften auf steinigem Untergrund schlängelnd. Ein junges Reh ist Hannibal im Wald fast vor seiner mächtigen Stossstange gehüpft. Als wir in Campingplatz von Gosol ankommen ist Fabrizio hundemüde.

Heute Abend haben wir keine Lust zum Kochen. Unsere Rezepte rotieren zurzeit um «Rana’s» frische Tortellini, Tortillas in verschiedenen Variationen aus dem Kühlregal (kühl … nicht gefroren!), Hummus, Geiss-Frischkäse mit Olivenöl und Tomatensalat, Hackfleisch mexicaine mit Basmatireis herum. Alle Fertigprodukte weisen eine hohe Qualität auf und wir sind sehr zufrieden. Da wir mit Gas kochen, wollen wir so wenig wie möglich «gasintensive» Rezepte verwenden. Als Ersatz dafür gibt es hier in Spanien viele gute Restaurants. Und so entscheiden wir uns in Gosol einem davon einen Besuch abzustatten. Das Restaurant El Forn ist hübsch eingerichtet (hat den Charme eins Bistros) und … wir sind die einzigen Gäste weit und breit! Die Covid-Restriktionen haben auch hier tiefe Wunden hinterlassen. Wurst aus Eigenproduktion begleitet von einer scharfen Tomaten-Knoblauch-Sauce mit Brot vom Bäcker um die Ecke bilden die Vorspeise. Gefolgt wird diese von einer Portion Tomaten-Tatar mit Puffbohnen (aus meiner Sich zu kalt serviert, wahrscheinlich direkt aus dem Kühlschrank. Persönlich gibt es für mich im Bereich Kulinarik nicht schlimmeres als einen kalten Salat kredenzt zu bekommen. Er riecht dann immer nach Kühlschrank und was darin aufbewahrt war und schmeckt wie abgestandenes Wasser). Als Hauptspeise eine Lamm-Haxe, die in einem «Pedro Ximenez» Süss-Sherry-Fond 17h lang bei Niedergartemperatur zart gekocht wurde. Eine regelrechte Offenbarung!

Die Nacht ist kühl aber unsere Schlafsäcke spenden uns eine wohlige Wärme … und so schlafen wir schnell ein. In die Ferne bellt sich ein einsamer Hund die Seele aus dem Leib.

Hase und Adler! Wir erklimmen mit Hannibal die steilen Hänge des Paratge Natural d’Interès Nacional del Massís del Pedraforca. Wow … nur noch Wow! Was für ein Blick! Die fast senkrechten Wände des Puig de Font Tortera zeigen wieder einmal dem kleinen Menschen, wer hier das Sagen hat. Die Piste schmiegt sich an den Berghang wie eine Katze an die Beine ihres Besitzers, als ob sie Angst hätte wegzurutschen. Oben angelangt fegt eine kühle Brise über die grünen Alpwiesen. Die Kühe mustern uns hochnäsig und mit einer gewissen Indifferenz. Sie denken sich sicherlich … «hier wieder ein paar Offroader, die uns die Luft verpesten». Recht haben sie. Heute werden wir diese Piste zweimal befahren. Zu schön ist hier oben das Panorama. Wir können nicht genug davon kriegen. Als wir uns gegen Abend doch noch zu einer kleinen Wanderung zusammenreissen, haben wir das Privileg, die Flugkünste von drei Adler zu beobachten. Sie gleiten wie auf unsichtbaren Bahnen elegant durch die Luft auf der Suche nach Essbarem. Apropos Essbares … uns laufen kurz danach zwei Hasen über den Weg. Waren sie auf der Flucht vor den Adlern? … das werden wir wohl nie erfahren. Fragen konnten wir sie nicht, da sie wie der Blitz wieder im Gestrüpp mit zwei Sprüngen verschwanden.

 

Freitag, 9. Juli, Gosol – Cambrils
Wetter: Sonne mit leicht kühlem Wind, Temperatur «warm»

Das Wetter bleibt stabil und schön bis mindestens nächste Woche. Sonne pur und relativ hohe Temperaturen sind angesagt. Die Voraussetzungen um die etlichen Tracks rund um Andorra zu erkunden, könnten nicht besser sein. Fabrizio hat sich diesbezüglich akribisch vorbereitet. Neben einschlägiger Literatur hat er im Internet recherchiert, in Wikiloc (www.wikiloc.com) die Routen ausfindig gemacht und sie in die Applikation «Gaia GPS» (www.gaiagps.com) importiert, überprüft, ggf. angepasst und danach als Backup in unser Garmin-GPS übertragen.

Heute steht eine Teilstrecke der «Boucle Andorraine» von Vibraction (www.vibraction.com) auf dem Programm. Diese wird uns über Stock und Stein von Fornols nach Ossera bis nach Organya führen. Die zweite Hälfte der Piste entpuppt sich als Höllenritt! Die Piste ist sehr steinig. Mittlere Auswaschungen bedürfen einer sachten Fahrweise. Hannibal’s Aufhängungen werden heute wohl oder übel leiden müssen. Hannibal steck das Ganze, ohne gros zu murren, weg.

Wir treffen auf einen einsamen Mountainbiker, der sich langsam den Berghang hinauf kämpft. Ich bewundere diese Menschen, die ständig ihre Grenze suchen und vielleicht auch finden. Die Sonne brennt ihm in den Nacken und das Radeln auf der steinigen Piste wirkt wie der seltsame Balletttanz eines Betrunkenen. Wir überholen ihn und versuchen ihm unsere Bewunderung mit einem Lächeln und Kopfnicken zu zeigen … ich denken, diese Gesten wirkten auf ihn wie Mitleid.

In Organya angekommen, fahren wir zum dortigen Campingplatz. Der entpuppt sich als desolater Stellplatz in der prallen Sonne gelegen. So entscheiden wir uns kurzerhand nach Cambrils zu fahren. Gemäss unserem Reiseführer muss es dort ein nettes Plätzchen für die Nacht geben. Die 25km Fahrt führt uns durch wunderschöne Schluchten. Die Dörfer wirken wie an die Bergwände geklebt, als ob sie Newtons Erdanziehungskraftgesetz trotzen wollten. Inmitten dieser kleinen Siedlungen steht oft eine überdimensionierte Kirche – überdimensioniert für die von uns geschätzte Zahl der dort lebenden Dorfeinwohner.

 

Samstag, 10. Juli – Dienstag, 13. Juli, Cambrils – Pobla de Segur
Wetter: Sonne mit leicht kühlem Wind, Temperatur bis 34°C

In Cambrils bleiben wir nur eine Nacht, essen im dortigen Restaurant (schwarze Erbsen in Schweineschmalz gebraten, Pasta, grilliertes Kaninchen sowie gebratene Wachteln) und beobachten, wie jemand (in dreckigen Trainerhosen und verschwitztem T-Shirt) eine Salami aus der Küche mitlaufen lässt: Er läuft mit dezidiertem Schritt aus der Küche, als ob er zu einem wichtigen Treffen verabredet wäre, beim Auto angekommen zieht er die Salami aus der Hose, nicht ohne sich vorher vergewissert zu haben, dass ihn niemand beobachtet hat und wirft diese durch das offene Fenster der Hintertüre auf den Hintersitz. Er steigt hastig ins Auto ein, zündet sich mit einem Grinsen eine Zigarette an, bevor er ohne Zögern davonfährt.

Wir nehmen heute von Col de Nargò eine Piste in Angriff, die uns entlang des Coll de Baumort führt. Es erwarten uns steile Auffahrten, eng an den Felsen geschmiegte Wege und schöne Weitsichten. Wir werden nicht enttäuscht. Als wir gegen 16:00 Uhr verstaubt in Pobla de Segur ankommen, zeigen sich bereits von Weitem rote Bergformationen, die an den amerikanischen Grand-Canyon erinnern. Die gewaltige Schlucht von Congost de Collegats bildet die südliche Grenze dieser Bergformationen. Wir werden sie morgen zu Fuss in einer knapp vierstündigen Wanderung erkunden.

Wir bleiben in Pobla de Segur drei ganze Tage. Wir mussten nach der Wanderung rund um die Schlucht Congost de Collegats, die uns viel Kraft geraubt hat, einen zusätzlichen Tag Pause einlegen. Obwohl wir uns erst um 17:00 Uhr die Wanderschuhe geschnürt und uns auf den Weg gemacht haben, betrug die Temperatur immer noch 34°C und um 20:45 Uhr, als wir völlig verschwitzt und Hunde müde beim Campingplatz zurückkommen, immer noch ca. 27°C. Es sind die perfekten Voraussetzungen für einen Sturm. Dieser hat sich im Laufe des Abends schleichend wie ein bettelnder Hund angekündigt. Zu Beginn haben sich langsam graue Wolken über den Bergspitzen angesammelt, danach hat der Wind (der in dieser Gegend immer mehr oder wenig stark bläst) an Kraft zugelegt und in regelmässigen, kräftigen Böen die Vögel von den Bäumen aufgescheucht.

Als wir unseren Teller Papas bravas (gebratene Kartoffel, die mit einer scharfen Mayonnaise serviert werden) auf der Terrasse des Campingplatz-Restaurants kredenzt bekommen, fängt es leicht und dann immer stärker an zu regnen. Ein Geruch von Staub und nassem Teer liegt jetzt in der Luft, begleitet von Blitz und Donner. Wir haben Hannibal’s-Dach aufgemacht, um unsere «Wohnung» zu lüften. «Sollten wir dieses jetzt nicht vorsichtshalber wieder zusammenfalten?» Fragen wir uns mit ernster Miene.

Gesagt … getan. Fabrizio steht vom Tisch wie von einer Hornusse gestochen auf und rennt mit Badsandalen ausgerüstet die 150 Meter, die uns von Hannibal trennen, in weltrekordverdächtigten 25 Sekunden. Es ist ein Rennen wie durch eine Autowaschanlage. Die Fahrwege sind jetzt bereits mit Wasser überflutet, es liegen Blätter und abgebrochene Äste auf dem Boden. Fabrizio gelingt es in letzter Sekunde – noch bevor der Sturm den Campingplatz mit voller Wucht erreicht – das Dach zusammen zu falten (im Angesicht der starken Windböen kein einfaches Unterfangen). Nach knapp 15 Minuten ist der Spuck vorbei. Von den Bäumen tropf noch das Wasser hinunter, der Campingboden sieht wie ein Urwald aus: umgeknickte Bäume, abgerissen Äste sowie umgeworfene Campingstühle und -tische (diese findet man selbstverständlich nicht unbedingt in einem Urwald). Die angerichteten Schäden lassen sich erst am nächsten Morgen nach dem Aufstehen einschätzen (Hannibal bekam durch den Sturm glücklicherweise keinen Schrammen ab).

Übrigens … als Fabrizio nach dem Sturm wieder zur Restaurantterrasse kam, waren die Papas bravas von Sabine allesamt aufgegessen … eine Frechheit!

 

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