Spanien 2022: Reisetagebuch
12. - 18. Mai
Valderrobres - Albarracin
Das Wichtigste in Kürze:
In der Nähe des kleinen Dorfes Pobla de Benifassà treffen wir inmitten von terrassierten Berghügeln auf das Gesamtkunstwerk «Jardìn de Peter». Eine kleine Oase der Magie, der Fantasie, eine eigene Welt, die von Fabelwesen belebt ist. Das Dorf Mirambel mit seinen schönen, gut erhaltenen mittelalterlichen Häusern und Schutzmauern. In Formiche Alto stolpern wir per Zufall auf das Dorffest «La Peña Taurina», eine Art Corrida, die auf dem Plaza Major stattfindet. Südlich von Teruel wandern wir durch die Bergformationen «Las Muelas» und fühlen uns nach Utah versetzt.
Donnerstag, 12. Mai, Valderrobres – Morella
Wetter: Wieder wolkenloser blauer Himmel.
Temperatur: 12 – 27°C
Seit letztem September, als wir uns in Begleitung von Dauerregen auf die Heimreise machten, wollen wir die Stadt Morella mit ihrer majestätischen Burg (Castell de Morella) genauer unter die Lupe nehmen. Heute packen wir diese Gelegenheit und fahren dorthin. Wir entscheiden uns für die Variante «über Stock und Stein». So geben wir Hannibal die Möglichkeit, sich wieder als zuverlässiger «Partner im Feld» zu beweisen.
Etwas ausserhalb von Béceite beginnt die ca. 80 km lange Piste. Anfänglich schlängelt sie sich sanft durch den Pinienwald aber nach knapp 3 km beginnen die Auswaschungen und der Track führt steil den Berghang hinauf. Die Naturstrasse ist mit viel Schotter belegt, was in den engen und steilen Kurven Hannibal zum «Scharren» zwingt. Abgesehen von einer Gruppe Motocross Fahrern, die in höllischem Karacho an uns vorbeisausen, sind wir allein unterwegs. Wir sichten unseren ersten Adler, der über unseren Köpfen seine «Runden» auf der ewigen Suchen nach Futter dreht.
Wir befinden uns in der Nähe des Parc Natural de la Tinença de Bènifassa als wir uns entscheiden die Piste zu verlassen und ins Pobla de Benifassà, ein kleines Dorf, das sich inmitten von terrassierten Berghügeln eingenistet hat, zu fahren. Nicht weit weg von hier hat sich der deutsche Künstler Peter Buch in dreissig Jahren akribischer Arbeit (… und mit seinen 84 Lenzen arbeitet er immer noch daran) seinen Traum verwirklicht, den Jardìn de Peter oder auf Deutsch «Peters Garten». Eine Kleinoase der Magie, der Fantasie, eine eigene Welt, die von Fabelwesen belebt ist. Eine Mischung von Gaudì und Niki de Saint Phalle.
Wir treffen den Künstler und seinen Gehilfen unter einem Baum, sich vor der Hitze der Mittagssonne schützend. Auf einem kleinen Gartentisch sind die spärlichen Reste des Mittagsessen zu sehen. Brotkrumen, eine halbe Zwiebel, eine Tomate und ein Paar Gurkenscheiben. Wir kommen kurz mit Peter ins Gespräch. Er ist auf einem Ohr taub, aber als Fabrizio sein Werk mit dem «Tarot Garden» von Niki de Saint Phalle vergleicht, spiegelt sich Aufregung in seinen Augen. «Ja, sie (Niki) hat aber viel mehr Geld zur Verfügung gehabt …. und viele Gehilfen» ist seine etwas entnervte Antwort. «ICH … ich habe alles allein aufgebaut!»
Wir belassen es bei diesem Wortaustausch und Zahlen ihm die Eintrittsgebühr von 3.5 EUR. Wir verweilen mehr als 2.5 Stunden in diesem magischen Garten und wandeln wie in einem Traum durch und an den vielen Kunstwerken vorbei – nicht nur Redbull verleiht Flügel… An jeder Ecke, unter jedem Strauch entdecken wir etwas Neues. Einfach faszinierend. Wir sinnieren über die Wirkung dieses Ortes auf uns. Peter scheint an seinem Werk finanziell nicht reich geworden zu sein. Ist das wichtig? Dabei reich zu werden …. meinen wir. Muss dies immer das Ziel, der Antrieb seines Handelns sein? Oder wird man auch «reich», indem man seinem Traum, seine Visionen realisiert … oder mindestens daran arbeitet. In jedem Fall ist die Welt mit dieser Perle, dem «Jardin de Peter», sicherlich bereichert worden.
Nach dieser «Overdose» an Emotionen fahren wir auf dem direktesten Weg nach Morella. Die Stadt empfängt uns kurz vor Sonnenuntergang bereits von Weitem mit ihrer mächtigen Burg, die hoch oben auf einem Felsen die ganze Stadt überragt, und mit ihren gewaltigen achteckigen Türmen den Hauptzugang zur Stadt schützt.
Wir parkieren Hannibal auf dem ca. 1 km vor den Stadtmauern liegenden Stellplatz (wir werden zum ersten Mal auf einem Stellplatz übernachten) und laufen zu Fuss in die Stadt. Was von Weitem majestätisch wirkt, erweist sich aus der Nähe etwas enttäuschend. Die Burg ist eine Ruine, die Stadt verfügt zwar über historisch schöne Gebäude, die meisten sind aber nicht zugänglich und wieder einmal ist die Mehrheit der Geschäfte geschlossen.
Wir schlendern durch die Gassen auf der Suche nach einem Restaurant, der Hunger hat sich bei uns bereits vor einiger Zeit angemeldet. Die Suche erweist sich als schwierig. Alle Empfehlungen, die Sabines Smartphone zum Besten gibt, sind entweder nicht mehr im Geschäft oder geschlossen oder öffnen erst am nächsten Tag (FR). Wir fragen die Besitzerin einer Bäckerei. Sie sagt uns «Gerade um die Ecke hat ein Restaurant geöffnet». Ein anwesender Kunde doppelt nach «Man isst sehr gut dort … und das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt auch. Ich bin ein Handwerker und habe nicht sehr viel Geld, aber ich gehe gerne dorthin».
Gesagt getan. Wir werden nicht enttäuscht. Die Atmosphäre ist zwar kalt und der Besitzer «furztrocken», das Essen ist jedoch ziemlich gut. Als wir das Restaurant verlassen ist es bereits 22:30. Die Dunkelheit hat ihre Nachschicht bereits begonnen. Die spärliche Beleuchtung in den Gassen wirkt etwas gespenstisch. Begleitet von einem Konzert bellender Hunde, zirpender Grillen, gukuhender Kuckucks sowie grunzender und quietschender Schweine aus den umliegenden Mästereien laufen wir zum Stellplatz. Eine frische Brise weht und der unerträgliche Geruch des Schweinemists hängt schwer in der Luft. Das Wort «armes Schwein» bekommt hier in Spanien eine ganz neue Bedeutung für uns.
Bis zum heutigen Tag haben wir noch keine «moderne» Mästerei ausgemacht. Diejenigen, die man im Vorbeifahren sehen (und riechen) kann, haben eher das Flair von Internierungscamps. Mehrheitlich handelt es sich um unfertige Bachsteinbaracken mit einem Eternitdach und Fenstern, die geschlossen scheinen. Die Schweine verfügen über keinen Auslauf – wofür denn? Die Ferkel sollen gefälligst schnell fett werden! Ein Zaun schliesst das Ganze «sicher» ein. Ein Versuch, die ungebetenen Beobachter fernzuhalten. Die Schweine dürfen uns nur zwei Gesichter zeigen: die des fröhlichen und verspielten Ferkels und die des saftigen Sonntagsbratens. Was dazwischen geschieht soll uns nichts angehen.
Wie überdimensionale Infusionsbeutel stehen die unzähligen Futtersilos auf dem Areal der Mästerei. Von diesen «schieben» Förderbänder oder Förderschnecken den Futtermix, der die Schweine schnell zum Schlachtgewicht führen soll, zu den immer vollen Futtertrögen. Jedes Mal, wenn Sabine und ich auf einer Wanderung genüsslich in ein Schinkenbrot reinbeissen, erscheint uns dieses Bild vor Augen. Dabei läuft uns ein kalter Schauder den Rücken hinunter. Die Schinkenbrote schmecken trotzdem immer köstlich.
Als wir beim Stellplatz ankommen, ist dieser bis auf unseren Hannibal leer. Das flackernde Licht einer Strassenlaterne beleuchtet schwach das Areal.
Freitag, 13. Mai, Morella – Formiche Alto
Wetter: Schleierwolken, die im Laufe des Morgens der Sonne Platz machen, Temperatur: 12 – 27°C
Die Nacht hat sich unruhig angefühlt. Wir konnten lange den Schlaf nicht finden. Ist dies so, weil wir zum ersten Mal ausserhalb der beruhigenden Umgebung eines Campingplatztes geschlafen haben? Wohl kaum. Am Nachtessen kann es auch nicht gelegen haben. Es ist Vollmond. Ja, der Schuldige ist schnell gefunden.
Aus der Idee, heute bis nach Albarracin zu fahren, wird nichts, da wir viel Zeit in die Besichtigung der typisch aragonischen Dörfer, die sich entlang unserer vorgesehenen Route befinden, investieren. Am Ende erweist sich unser Entscheid, in Formiche Alto einen Stopp auf dem Campingplatz des Casa Fausto zu machen, als purer Glückstreffer.
Aber nun von Anfang an. Das erste Dorf, das wir besuchen (wird uns für immer auch als «das schönste» in Erinnerung bleiben) ist Mirambel. Ein schmuckes mittelalterliches Dorf ohne Firlefanz und Billig-Souvenirläden. Die Wege sind allesamt mit runden Pflastersteinen belegt. Die meisten Gebäude sind renoviert, haben aber trotzdem ihren ursprünglichen Charme behalten.
Als wir in Mirambel ankommen, ist es bereits 09:00. Es sind keine Menschen zu sehen. Nur aus einer Bar strömen uns laute Gespräche durch die weit geöffnete Tür entgegen. Wir erkunden das ganze Dorf und kommen aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Die wildesten Gedanken gehen uns durch den Kopf. «Was wenn wir das ganze Dorf aufkaufen könnten und es zu einem Ferien Resort für gut Betuchte entwickeln würden?» sage ich plötzlich aus dem Nichts. Sabine macht grosse Augen und scheint mein Vorhaben nicht verstehen zu wollen. «Ja, so etwas wie in Andermatt» dopple ich nach. «Ein Resort, wo sich die Kundschaft während ihres Aufenthaltes ins Mittelalter zurückversetzt glaubt und die Atmosphäre in sich aufsaugen kann.» Sabine zückt das Portemonnaie … und ich muss kapitulieren.
Wir kehren zu der Bar mit den lauten Stimmen zurück und fragen, ob es möglich sei, ein «Café con leche» zu bestellen. «Klar!» ist die kurze und zackige Antwort der etwas übergewichtigen Serviertochter und sie lächelt dabei verschmitzt. Am Tisch neben uns sitzen bereits zwei «Locals» und frühstücken. Dem einen scheint etwas auf dem Magen zu liegen. Er redet laut, schnell und gestikuliert mit den Händen in der Luft, als möchte er das Bildnis der heiligen Madonna malen. Vor ihnen zwei Teller mit Aufschnitt, Spiegelei, Würsten, Speck und Käse sowie eine Flasche Wein.
Sie giessen sich in regelmässigen Abständen die Gläser mit Wein nach und füllen diese anschliessend bis zum Rand mit Wasser auf. Im Laufe der Zeit wird die Menge des beigefügten Wassers immer kleiner, dafür die des Weines immer grösser. Eine zweite Flasche Wein wird auf den Tisch gestellt. Das Gesicht des aufgeregten Locals hat jetzt bereits eine schöne rote Farbe bekommen. Er schiebt sich ein Stück Brot mit Wurst in den Mund und zerkaut dieses zu einem Knäuel, der kurz in der linken Gesichtsbacke «parkiert» wird, damit er seiner nächsten Tirade freien Lauf lassen kann. Essen und reden «gleichzeitig». Dies ist eine wahre Kunst.
Knapp 15 km später folgt das nächste Dorf, Cantavieja. Auch wenn der historische Stadtkern unter Denkmalschutz gestellt wurde und das Rathaus mit seinem Säulengang an der Plaza Mayor durchaus sehenswert ist, mögen wir nicht allzu lang in der Stadt verweilen. Auf uns wartet ein leckeres Mittagessen in Linares de Mora … Allerdings wird aus diesem nichts. Die Bar «La Venta» ist infolge Gerantenwechsel geschlossen.
So befassen wir uns damit, wo wir die Nacht verbringen wollen. Der nächste offene Campingplatz ist die Casa Fausto in Formiche Alto, in einer wilden und einsamen Gegend gelegen, wo die Temperaturen im Winter weit unter 0 °C fallen können. Wir sind die ersten Gäste, die einchecken. Nach uns folgen noch drei spanische Parteien, zwei mit Kindern. Wir scheinen die Nachbarn wie die Fliegen anzuziehen. Obwohl alle Parzellen frei sind, platzieren sie sich vor und direkt neben uns. Bis sie sich eingerichtet und gekocht haben wird es 22:00. Die Kinder müssen sich wahrscheinlich nach einer langen Fahrt erstmal austoben. So rennen sie schreiend über den ganzen Zeltplatz. Die Eltern ermahnen sie, leiser zu sein. Allerdings sind auch ihre Diskussionen sicherlich noch in 500 m Entfernung zu hören. Fabrizio und ich sind müde. Bereits vor 22:00 Uhr begeben wir uns in unsere Attika, decken uns mit unseren wollig warmen Schlafsäcken zu, stecken uns die Ohropax in unsere «Lauscher» und begeben uns unmittelbar in unsere Traumwelt, wo wir das Erlebte ein erstes Mal verarbeiten können.
Samstag, 14. Mai, Formiche Alto
Wetter: Sommerwetter, blauer Himmel mit einem Gewitter am Abend, Temperatur: 12 – 27°C
Am Samstag brechen wir zum 2 km entfernten Dorf auf. Wir wollen am Dorffest «Peña Taurina» teilnehmen. Gemäss Wikipedia leben 150 Menschen im Dorf. Gemäss Fausto 85 und im Winter etwa 20.
Am Morgen hüpfen sich die Kinder auf einer aufblasbaren Kunststoffburg und -rutsche die Seele aus dem Leib, während die Eltern bzw. vor allem die Mütter vor diesen Chilbi-Attraktionen schwatzen. Auf 14:00 wird in zwei riesigen Pfannen eine Paella gekocht. Bereits um 12.00 Uhr kitzelt uns der verführerische Geruch von angebratenem Fleisch und Gemüse in der Nase und um 17:00 sollen junge Stiere durch die Gassen getrieben werden. Wir sind gespannt, was uns erwartet.
Bereits vor Mittag wird konstant Bier gebechert. Gegen 12:00 wird unter den Arkaden des Ratshauses ein üppiger Apéro aufgetischt. Es sieht lecker aus. Gerne möchten wir auch an diesem Gelage teilnehmen, aber wie? Fabrizio fragt beim Bierausschank nach. Aber «que lastima» (wie schade) die Teilnahme ist ausschliessliche für Dorfbewohner und um keinen Preis der Welt für Aussenstehende möglich! Das gleiche gilt für das Paella-Essen. So gehen wir zum Dorfladen, der drei Mal die Woche für jeweils zwei Stunden geöffnet ist. Dieser kann Konserven, Bier sowie die regionalen Würste und Käse anbieten, allerdings ohne Brot. Die freundliche Verkäuferin bemerkt unsere enttäuschten, hungrigen Blicke und rät uns zu einem Essen in der örtlichen Bar, die auch tatsächlich für Touristen geöffnet ist. Beim Betreten werden wir von einem halben Dutzend Augenpaaren scheu gemustert. Wir kommen uns wie Marsmenschen vor. Auf unsere Frage, ob wir hier auch essen können, zählt uns die ältere Dame hinter der Bar die Varianten auf – nicht ohne sich vorher bei der Köchin, wahrscheinlich ihre Mutter, abgesichert zu haben. Wir bestellen «un ensalada para compartir», je einen typischen spanischen «Plato Combinado», sowie zwei Cerveza. Der Salat ist frisch und reichlich, die Tagesteller bestehen aus einem Schweinsplätzli sowie einem -Rippli und -Wurst und werden mit Pommes und gedämpften Peperoni serviert. Es ist gute Hausmannskost! So probieren wir auch noch den hausgemachten Flan aus und bestellen zwei Kaffees. Satt und zufrieden verlangen wir die Rechnung. 25 EUR. Wir können es kaum glauben. Doch die Bedienung lässt keine Widerrede zu und lehnt auch die 2 EUR Trinkgeld ab. Allerdings sind wir hier überzeugender und sie steckt das Geldstück in die Tasche.
Nach 16:00 steigt die Spannung. Immer mehr Leute laufen zur Plaza Mayor. Es werden massive Schutzgitter, hinter der sich das Publikum in Sicherheit bringen kann, aufgestellt und Zu- und Abgänge gesperrt. Vor der Plaza Mayor ist eine Ambulanz postiert und zwei Polizisten kontrollieren, ob alles mit rechten Dingen zu- und hergeht. In einem aufgeregten Gespräch gehen sie mit zwei Organisatoren einen Stapel Papier durch und überprüfen gemeinsam eine unendlich lange Checkliste. Einer der Polizisten beharrt auf einem Detail, das nicht «koscher» sein soll.
Derweil werden von Tiertransportern Stiere und Rinder abgeladen. Alles ist bereit. Punkt 17:00 geht eine Sirene los … alle Anwesenden begeben sich in Deckung – mit Ausnahme jener mit überhöhtem Testosteronspiegel (vor allem junge Männer bzw. Torreros). Diese bleiben nonchalant ausserhalb der Schutzgitter stehen. Ein Käfig wird behutsam geöffnet und … ein gewaltiger schwarzer Stier bricht aus seinem engen Gefängnis aus. Er mustert kurz die neue Umgebung … und geht sofort zum Angriff über. Das Publikum raunt und schreit sich die Seele aus dem Leib. Junge aus dem Dorf messen sich gegenseitig in akrobatischen (und nicht immer ungefährlichen) Einlagen. Es geht darum, den Stier so zu reizen, dass er zum Angriff übergeht … um sich dann mit schnellen und agilen Bewegungen aus der Angriffslinie zu begeben. Ab und zu greift der Stier die Schutzkäfige an und versucht die dort verschanzten Personen mit den langen Hörnern aufzuspiessen.
Nach 15 Minuten läutet erneut die Sirene und der Stier wird von seinem «Leiden» befreit, indem er aus der Plaça Mayor «hinausbegleitet» wird. Es sind wahrscheinlich Tierschutzvorschriften, die dafür sorgen, dass die Tiere nicht länger als eine Viertelstunde geplagt werden dürfen.
Wir fragen eine junge Frau, ob es dies gewesen sei mit der «Peña Taurina» nun. Sie lächelt uns an und antwortet: «Nein, jetzt werden nacheinander die Rinder reingelassen.» Die Spiele werden bis um 20:00 dauern». Irgendwie freuen wir uns, dass es noch «etwas» zu sehen gibt. Und tatsächlich gehen die Rinder viel wilder ihre Show an. Sie sind flinker als der Stier und bei Weitem viel aggressiver. Gegen 19:00 haben wir genug gesehen und machen uns auf den Weg zum Campinglatz. Der Himmel ist jetzt schwarz und verheisst nichts Gutes. Wir möchten später um 21:00 zurückkommen. Es soll ein Stier, dem ein Feuerwerk an den Hörnern befestigt wurde, durch die Plaça Mayor gejagt werden. Wir verpassen leider dieses Spektakel. Infolge des erwarteten Gewitters haben die Organisatoren diese Einlage vorverlegt. Als wir im Dorf ankommen, beginnt es zu hat es regnen. Die Leute verlassen massenweise die Plaza Mayor und suchen unter den Vordächern der Häuser Schutz.
Wir trinken in der Dorfbar noch zwei Bier und schauen (ohne ein Wort zu verstehen … am Nachbartisch spielt eine Gruppe Jugendlicher Tischfussball und ist VOLL bei der Sache) die Austragung des Eurovision Song Contest aus Turin. Viel nackte Haut sowie ein paar kurlige Musiker in Wolfsmontur sind zu sehen.
Um 22:30 ist das Gewitter vorbei. Die Luft ist jetzt merklich kühler geworden. Den Grillen und Kuckucks scheint dies kalt am Arsch vorbeizugehen. Sie singen, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Es ist erstaunlich, welche Tiere man in der Nacht antrifft: Eine 70 cm lange Schlange, müht sich mit der Strassenüberquerung ab. Die Kälte hat sie träge gemacht. Sie schleicht langsam vorwärts, als ob sie unsicher wäre, ob sie sich auf dem «richtigen Weg» befände. Der Starke Lichtkegel unserer LED-Taschenlampe lässt sie glänzend erscheinen. Wir beobachten sie aus sicherer Entfernung (man weiss ja nie …), leider wird sie unmittelbar danach von einem vorbeifahrenden Auto überfahren. Eine riesige Grüne Kröte versucht, uns zu ignorieren und ein Centipedes, der auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit ist, kreuzt kurz danach unseren Weg.
Sonntag, 15. Mai, Formiche Alto – Albarracin
Wetter: Weiterhin «langweiliger» blauer Himmel.
Temperatur: 14 – 30°C
Nächster Halt Albarracin! Diese Stadt hat uns letzten September unglaublich beeindruckt. Wir wollen nochmals dorthin fahren und uns ein paar Tage in dieser schönen Umgebung ausruhen, da wir bereits seit einem Monat unterwegs sind. Ziel ist es, unseren Blog auf Vordermann zu bringen, die ersten Filmsequenzen zu bearbeiten und sonst … nichts tun was uns Mühe bereiten könnte.
Fabrizio hat in Wickiloc einige Pisten ausgesucht, die er auf dem Weg nach Albarracin, erkunden möchte. Hoffen wir, dass diese zugänglich sind … und so ist es. Gut … nein super! Die erste Piste führt uns durch Getreidefelder entlang der «Muelas», Bergformationen, die wage an die Tafelberge Südafrikas erinnern. Dank dem ergiebigen Frühjahresregen erscheinen die bestellten Felder in einem satten Grün. Allerdings ist ersichtlich (Fabrizios ex Agronomen-Auge bestätigt es), dass die Bauern nicht mit dem Düngen gegeizt haben. Man erkennt dies an den dunkleren, grünen Streifen, die die Getreidefelder wie Bahnen durchziehen.
Es gibt eine warme und angenehme Brise. Abgesehen von einem Bauern, der am Düngen ist, treffen wir auf niemanden. In der Nähe vom Dorf Villel steigt die Piste steil die Bergflanke hinauf. Wir treffen auf die ersten «ernsthaften» Auswaschungen. Da der Untergrund bereits ausgetrocknet ist, bewältigt Hannibal sie mit einem müden Lächeln. Ganz oben angelangt breitet sich vor unseren Augen die ganze Talebene mit den «Muelas» und der Stadt Teruel im Hintergrund aus. Das Licht ist fahl. Die sonst sehr gesättigten Farben der «Muelas» erscheinen trübe, wie durch ein Milchglas betrachtet. Schade! Zu einer anderen Tageszeit (z.B. zur goldigen Stunde) hätte das Panorama ein schönes Fotomotiv gegeben. Aber eben … wir reisen und müssen akzeptieren, dass wir nicht immer (fotografisch gesehen) zum Richtigen Zeitpunkt dort ankommen, wo es schöne Fotomotive und gutes Licht gibt. Fabrizio hatte zu Beginn unseres Reiseabenteuers damit etwas Mühe. Heute nimmt er es (häufig) gelassen … er.
Auf der Hochebene treffen wir auf weite Lavendelfelder, die aber noch nicht blühen. Wir streifen mit den Händen über die Büsche und riechen danach an unseren Fingern. Das Aroma ist betörend.
Die Talfahrt erweist sich als «easy», die Piste ist breiter geworden und Auswaschungen bleiben aus. Kurz vor Teruel möchten wir noch (als Krönung des Tages) eine 12 km lange Wanderung durch die «Muelas» unternehmen. Sie führt uns durch eine unglaubliche Landschaft. Orangefarbige senkrechte Felsenwände säumen den Wanderweg (eher eine Piste) bis wir zur Hochebene gelangen. Bauern haben das Dach der «Muelas» mit Getreidefeldern bestellt. Wir werden durch Schwärme von lästigen Fliegen willkommen geheissen. Einzig die regelmässigen Böen, die durch die Thermik die Felsenwände hinaufsausen, bringen etwas Entlastung. Der Wanderpfad schlängelt sich jetzt entlang der Felsenwand. Wir gucken hinunter mit der Hoffnung einen Steinbock zu sichten. Dieser Wunsch bleibt uns aber verwehrt.
Müde und verschwitzt kehren wir nach etwa 3 Stunden zu Hannibal zurück. Ein Regenschauer, der uns glücklicherweise um einige Kilometer verfehlt hat, lässt am Horizont ein Regebogen zurück.
Um 19:00 treffen wir auf dem Campingplatz in Albarracin ein. Nachdem wir uns den Staub abgewaschen haben, begeben wir uns mit schnellen Schritten zum Campingrestaurant. Wir haben keine grossen Erwartungen was die Speisequalität anbelangt … wir werden aber glücklicherweise des Besseren belehrt. Ein sehr schmackhafter gemischter Salat mit karamellisiertem Schafkäse gefolgt von grillierter Lammschulter und Pommes (Fabrizio) sowie grilliertem Poulet mit Pommes (Sabine). Drei Biere runden das Ganze ab.
Gute Nacht!