Du betrachtest gerade Marokko 2022 Reisetagebuch: 14. – 25. November
Die Piste nach Tisgui-da-ou-Ballou
  • Beitrags-Kommentare:0 Kommentare
  • Beitrag zuletzt geändert am:Januar 28, 2025
  • Lesedauer:14 min Lesezeit

Marokko 2022: Reisetagebuch

14. - 25. November

Tata – Tafraoute – Taroudant - Marrakesch

 

Das Wichtigste in Kürze:

In Tafraoute besichtigen wir die Rochers Bleu und werden zum ersten Mal von frostigen Temperaturen überrascht. Mit Freunden besuchen wir den Agadir von Tasguent und streiten uns mit einem Parkplatzwächter, ein Touristenführer und zwei Agadir-Wächter über den Preis der Besichtigung. Südlich von Marrakesch verweilen wir fünf Tage im wunderschönen Dar Lavande von Claudia.

 

Klicke auf das Piktogramm, um die Animation der gefahrenen Strecke zu sehen

 

Montag, 14. November: Tata – Tafraoute
Wetter: Blauer Himmel. Temperatur 15 – 27°C

Wir fahren heute auf der RN7 in Richtung Imitek bis Tisgui-da-ou-Ballou. Von hier biegen wir links ab und folgen einer Piste, die wir von Wikiloc heruntergeladen haben. Was erwartet uns? Gemäss der Topo-Karte auf GaiaGPS müssen wir mit einer engen Piste rechnen, die sich zwischen steilen Bergwänden durchschlängelt. In Tat und Wahrheit folgen wir während den ersten fünfzehn Kilometern einer breiten, kürzlich neu aus der Felswand geschlagenen Strasse. Der Grundbelag besteht aus einer dicken Kiesschicht, doch machen sich bereits die ersten wellblechartigen Abschnitte bemerkbar.

Zum Glück ist dieses Pisten-Segment breit ausgebaut! Die umliegenden Berge, mit ihren steilen Flanken und ihren zum Vorschein kommenden Erdschichten, bieten uns ein unerwartet spektakuläres und atemberaubendes Panorama. Wir kreuzen diverse Einwohner, die zu Fuss oder mit einem Esel unterwegs sind. Alle grüssen uns freundlich.

Nach knapp fünfzehn Kilometern endet der neuen Pistenteil und geht in einen schmalen und holprigen Track über. Wir folgen jetzt der Talsohle entlang eines ausgetrockneten Flussbettes. Die Piste ist links und rechts mit grossen Steinblöcken abgegrenzt bzw. gekennzeichnet. Dann taucht hinter einer Flussbiegung ein kleines Dorf auf (Berge von Unrat am Wegesrand haben dieses bereits von weitem angekündigt). Das penetrante Parfum von verbranntem Plastik füllt das enge Tal. Eine Gruppe Tee trinkender Männer schaut überrascht zu uns auf. Wir wurden hier nicht erwartet. Wir grüssen mit der Hand, sie winken zurück, wir setzen unsere Fahrt fort. Kurz danach zwängen wir uns unter den tiefhängenden Ästen eines Olivenbaumes durch und kreuzen einen mit Schilf/Gras beladenen Esel, dem wir freundlich den Vortritt lassen.

Von hier aus verlässt die Piste die Talsohle und klettert entlang einer Bergflanke auf eine Hochebene. Es ist eng, sehr eng. Wir hoffen, wir treffen auf keinen Gegenverkehr. Ausweichmöglichkeiten gibt es hier kaum. Rückwärtsfahren ist auch keine valide Option. Wir haben Glück … Nach gesamthaft dreissig Kilometern erreichen wir eine geteerte Strasse und folgen dieser bis Imiwazal. Der marokkanische Staat hat in dieser Gegend viel Geld in eine neue Strassenführung investiert. Statt durch ein Tal führt die Strasse jetzt in unzähligen Serpentinen auf einen Bergkamm hoch. Von hier biegen wir rechts in Richtung Tizerkine, Taghaout, Agudarm ab und landen schlussendlich in Tafraoute. Dieser Abschnitt ist durch tiefe Löcher, aufgerissenen Teerbelag und ausgewaschene Strassenabschnitte gekennzeichnet. Wir kommen nur langsam vorwärts. Einzig der imposante Agadir von Taghaout hoch auf einem Felsenvorsprung errichtet, ist auf diesem Teilabschnitt eine Notiz Wert.

Kurz vor Tafraoute sichten wir die berühmten Rochers Bleu, ein im Jahr 1984 entstandenes Werk des belgischen Künstler Jean Verame. Die für dieser Region so charakteristisch roten Felsenformationen hat er mit einer Schicht blauer Farbe angemalt. Von Weitem erinnern sie uns an den Tarot Garten von Niki de Saint Phalle. Die teilweise bizarren Felsenformationen erinnern wage an die mystischen Figuren von Niki. Hier legen wir eine Fotosession ein. Das Licht ist schön, die Farben leuchten … und wir sind, bis auf wenige Touristen, allein.

 

Was ist aus Tafraoute in den letzten 23 Jahren geworden? Eine breite, mit grünen Palmen und Kandelabern gesäumte Einfahrt kündigt Grosses an. Die Stadt hat sich stark entwickelt und verwandelt. Aus einer staubigen Piste mit wenigen einfachen Herbergen ist heute eine betriebsame Stadt mit geteerten Strassen und unzähligen Hotels sowie Campingplätzen geworden.

Wir durchqueren die Stadt auf der Suche nach dem Campingplatz Tazka. Dort angekommen empfängt uns der kurlige Campingmanager. Er steht permanent unter Strom und düst unruhig umher. Der Grund ist schnell geklärt. «Der Wasserheizer ist im Eimer und wir haben kein warmes Wasser für die Duschen!» Informiert er uns aufgeregt. «Übermorgen kommt eine Gruppe von fünfzehn Wohnmobilen … und ich habe kein warmes Wasser!» doppelt er nach. «Der Campingbesitzer verspricht ständig, dass er dem Problem nachgehen werde … aber er tut gar nichts! ICH muss mich aber mit den unzufriedenen Gästen herumschlagen!» sein abschliessender Kommentar. Als wir ihn am übernächsten Morgen in einem anderen Campingplatz treffen, strahlt er über beide Ohren. Er zeigt uns stolz seine neue Errungenschaft: einen funktionierenden gebrauchten Gas-Wasserheizer.

Kaum haben wir Hannibal eingeparkt, schon werden wir von einem Teppichverkäufer (er möchte uns in sein Geschäft einladen) und einem Garagisten (er möchte uns für 120DH Hannibals Kardanwelle einfetten) angesprochen. Wir antworten beiden … «mal schauen … inschallah».

Die Fahrt war ziemlich anstrengend und wir haben keinen Bock aufs Kochen. Im Restaurant Nadia essen wir eine vorzügliche Gemüsesuppe und je eine Tajine (ja schon wieder Tajines!) de Poulet aux citrons und de Kefta. Beide sehr gut.

Wir bleiben eine Nacht und wechseln dann zum Campingplatz Les Trois Palmiers nebenan. Dort scheint die Warmwasserversorgung zu funktionieren und wir treffen – wie der Zufall uns manchmal einem einen Streich spielt – auf Christian und Monika mit ihren Freunden Ruedi und Silvia.

Das Fahrzeug von Christian und Monika mit ZH-Nummernschild ähnelt verblüffend unserem Hannibal (das Hubdach wurde ebenfalls von ORB erstellt), Ruedi und Silvia sind mit einem roten Landcruiser unterwegs. Wir haben sie bereits im Camping von Foum Zguid getroffen und mit ihnen Reisetipps und Räubergeschichten ausgetauscht. Wir werden mit ihnen zusammen den Agadir Tasguent besuchen.

 

Dienstag, 15. November: Tafraoute
Wetter: Blauer Himmel. Temperatur 12 – 28°C

Die Nacht war kalt. Die Sonne selbst hat «Mühe» aufzustehen und lässt am Morgen auf sich warten. Tafraoute ist von einem Ring von Bergen eingeschlossen, sodass die Sonne erst diese Bergen erklimmen muss, bis sie uns mit ihrer Wärme erfreuen darf.

Wir machen von Tafraoute aus einen Tagesausflug und erforschen die umliegenden Täler. Im Rahmen unserer Reisevorbereitung haben wir entdeckt, dass es in der Umgebung unzählige Agadire (Speicherburgen) gibt. Zwei davon möchte wir heute besichtigen, nämlich diejenigen von Zghanghine und von Tasguent. Wie fast alle Agadire wurden beide auf einem Hügel errichtet und dominieren mit ihrer Grösse das darunterliegende Dorf.

Zuerst statten wir dem kleinen Dorf Zghanghine, das wir über eine schmale Strasse erreichen, einen Besuch ab. Wir «quetschen» Hannibal auf einen kleinen Platz zwischen zwei Häusern und machen uns bereit für die Besichtigung. Wie aus dem Nicht taucht ein 6-7jähriger Bube auf und spricht uns mit «Agadir!» an. «Ja» antworten wir. Kurz danach löst sich eine Frau von einem Hauseingang und (unsere Interpretation) «motiviert» den Jungen, uns als Guide zu dienen. Kaum machen wir uns zu Dritt auf den Weg erscheinen weitere drei Frauen und sprechen uns mit «Agadir?» an. Wieder einmal antworten wir mit «Ja». In gebrochenem Französisch fordert uns die Jüngste unter ihnen (die Anführerin?) auf, ihr zu folgen. Nach knapp fünf Minuten stehen wir allesamt vor einer verschlossenen Tür.

«50 Dirahm und wir machen die Tür auf» verlangt die Anführerin. «50 Dirahm als Spende für die Moschee» doppelt sie nach. Wir verfügen aber nur über 35 DH also bieten wir 30 DH an. Wir einigen uns schliesslich bei 35 DH und einer Handvoll Basler Läckerli. Deal!  Der Agadir ist grösstenteils verfallen. Nur eine Hauptgasse ist einigermassen in Takt und kann ohne Gefahr begangen werden. Während wir hier die obligaten Fotos schiessen, trainiert der Junge mit den Frauen den ebenso obligaten Satz «donnez-moi un stylo». Als er dieses Anliegen an uns heranträgt, drängen die selbsternannten Führerinnen forsch zur abschliessenden Zahlung mit Naturalien. Neben den Biskuit sind sie auch am Behälter, an Sabines Ohrringe und an Gesichtskosmetik interessiert. «La, safi» (nein, genug) lautet unsere Antwort. Uns wird dieses ganze Theater zu viel. Wir steigen in Hannibals Innere und fahren zum nächsten Speicher.

Als wir auf die Naturstrasse zum Speicher Tasguent abbiegen, sichten wir schon bald einen weissen und einen roten Toyota Landcruiser, die im Schatten der Bäume stehen während ihre Schweizer Insassen draussen gemütlich Zmittag essen. Wir winken ihnen zu und fahren auf den imposanten gut erhalten und wie es sich gehört auf einem Hügel stehenden Agadir zu. Auf dem Parkplatz erfahren wir, dass eine Besichtigung erst wieder in einer halben Stunde möglich sei. So fahren wir runter zu den Schweizern, wo Christian gerade die sogenannte «Tschingge-Bombe» für einen Espresso anwirft. Mit dem italienischen Kraftgetränk gestärkt machen wir uns zur Burg auf und verhandeln mit dem Führer 200 DH für die Besichtigung zu sechst.

Die zweistündige Führung ist ein Erlebnis. Wir staunen ab dem gut erhaltenen Zustand des Agadirs, den Dimensionen und den Erklärungen. Der Führer motiviert uns zu Klettertouren über enge Stiegen und zeigt die Überreste der einst hier gelagerten Schätze wie getrocknete Karotten (scheinbar immer noch für ein Couscous zu gebrauchen), Schriftenrollen, Werkzeuge, Tongefässe etc. Leider wurde der Agadir während und nach der COVID-Zeit von Dieben geplündert und seine Schätze werden nun wohl von Antiquitätenhändlern feilgeboten. Erfüllt und zufrieden schreiten wir durch das Ausgangstor als uns die beiden Agadirwächter zu verstehen geben, dass sie bezahlt werden möchten. Fabrizio fragt den Führer, ob dies so in Ordnung gehe, was dieser bejaht. Christian will der Sache auf den Grund gehen und hackt beim jungen Marokkaner nach, ob er auch seinen Anteil kriegen werde. Nicht überzeugend antwortet er, dass er sich mit den beiden Wächtern arrangieren werde. Währenddessen haben Monika und Sabine bereits den Abstieg angetreten, verfolgt vom gehbehinderten Parkwächter, der wild gestikulierend und fluchend auch bezahlt werden will. Quintessenz wir greifen nochmals in die Tasche und legen nochmals 150 DH für Führer und Parkwächter aus. Je mehr wir über diese groteske Situation nachsinnieren, umso grösser werden die Zweifel, ob nicht alles ein abgekartetes Spiel war, um das Maximum aus uns Touristen herauszupressen.

Nach den heutigen Ereignissen kehren wir enttäuscht und verletzt auf direktem Weg nach Tafraoute zurück. Die restlichen Agadirs können uns gestohlen bleiben.

 

Mittwoch, 16. November: Tafraoute – Taroudannt
Wetter: Blauer Himmel. Temperatur 12 – 28°C

Tafraoute ist der Wendepunkt unserer Marokkoreise. Von hier aus werden wir uns in den nächsten zwölf Tagen nur noch in Richtung Norden bewegen, Richtung nach Hause. Mit der Ausnahme einer uninteressanten Fahrt durch die Agafay-Wüste (Kommentar folgt später) schalten wir den Allradantrieb nicht mehr ein. Wir haben Hannibal und seine Fähigkeiten gründlich getestet und sind nun «Offroad müde».

Wir durqueren heute nochmals das Vallée d’Ammel, zweigen auf der Höhe von Aferni rechts auf die RR105 ab und folgen dieser bis Imi Mqourn.  Von da fahren wir schnurstracks bis Taroudannt.  Erst im Camping Le Jardin stellen wir den Motor ab. Heute haben wir Dörfer durchquert, die im Müll versinken und sind an Agadiren vorbeigefahren, bei denen wir nicht mehr die Motivation aufbringen konnten, sie zu besichtigen – einer davon war der majestätischen Agadir Tizourgane.

 

Donnerstag, 17. November: Taroudannt
Wetter: Blauer Himmel. Temperatur 10 – 27°C

Die Hunde des Nachbars haben uns die ganze Nacht auf Trab gehalten. Sie haben ohne Pause laut miteinander kommuniziert. Darüber hinaus ist heute Morgen die Temperatur ziemlich frisch. Etwas benommen steigen wir aus Hannibal aus und bereiten uns das Frühstück zu. Der Campingbesitzer hat uns eine Baguette besorgt, was uns ein wenig aufmuntert.

Was sollen wir heute anstellen? Die Antwort ist schnell gefunden, wir statten Taroudannt einen Besuch ab. Gestern haben uns die imposanten Stadtmauern in der Abendsonne imponiert. Heute möchten wir entdecken, was sich dahinter wohl versteckt.

Wir bestellen ein «Mini-Taxi» und lassen uns bis zum Restaurant Jnane Soussia chauffieren. Dort verbringen wir im grossen Garten die heisseste Tageszeit und genehmigen uns ein gutes Mittagessen. Wohl ernährt schlendern wir einige Stunden durch den Souk und lassen über uns das Spiessrutenlaufen durch die Läden mit Geduld ergehen. Taroudannt lässt unser Herz nicht warm werden. Der Souk ist relativ gross und verwinkelt aber unterscheidet sich wohl kaum von den anderen, die wir bereits besucht haben.

 

Freitag, 18. November: Taroudannt – Marrakech (Dar Lavande)
Wetter: Teilweise blauer Himmel. Auf den Gipfeln des Hohen Atlas liegt Schnee. Temperatur 7 – 27°C

Eine für unsere Verhältnisse sehr lange Strecke steht uns heute bevor. Bis zum Dar Lavande, unserem Bed & Breakfast für die nächsten vier Tage, sind es ca. 250 km. Der Pass Tizi-n-Test mit seinen 2’000 m ü. M. steht uns «im Weg». Abgesehen von Bauarbeiten entlang der Strecke kommen wir flott voran. Das Panorama von der Passhöhe ist schön aber die Weitsicht ist weitgehend durch Dunst beeinträchtigt.

Nach Asni weitet sich das Tal und wir treffen auf viel Verkehr. Hier dominiert die rote Erde. Tiefrot wie eine frische Blutwurst ist sie. Gegen 17:00 treffen wir im Dar Lavande ein, wo Claudia mit ihren drei Hunden (Viktor, Leo und Krischa) uns willkommen heisst.

 

Samstag. – Mittwoch, 19. – 23. November: Dar Lavande und Umgebung
Wetter: Teilweise blauer Himmel. In den umliegenden Bergen hat es geschneit. Temperatur 10 – 27°C

Uns ist nach Ferien machen zu Mut. Wir reservieren für vier Nächte im gut 20 km von Marrakech entfernten Dar Lavande und bleiben schliesslich fünf. Das B&B wird von einer Schweizerin betrieben. Wir kennen es nur von ihren interessanten Newslettern. Neben dem Landgut, auf dem Lavendel angebaut und das Öl der Pflanze destilliert wird, sind wir neugierig die Besitzerin, ihre drei Hunde sowie Jaques und Jaqueline, ihre Esel, kennenzulernen.

Schon nach kürzester Zeit schliessen wir das Dar Lavande mit Menschen und Tieren in unsere Herzen. Es ist ein wunderbar ruhiger Ort. Beim Blick auf den mit viel Liebe gestalteten harmonischen Garten wird die Seele ruhig und der Körper entspannt sich. Auch nachts fallen wir in einen tiefen erholsamen Schlaf. WELLNESS PUR!

Nur für einen Tagesausflug zum Stausee Lalla Takerhoust mit anschliessender Rundfahrt durch die Wüste Agafay verlassen wir dieses Idyll. Der Ausflug ist keine Rede wert: der Stausee ist zu einem Viertel seiner Grösse geschrumpft und die Wüste scheint zur Quad-Rennbahn sowie den «Abenteuer-Camps» der Luxus-Hotels degradiert worden zu sein. 

Nur ungern reissen wir uns von diesem Place to be los um noch Marrakesch City und Fez einen je zweitägigen Besuch abzustatten bevor wir in einer Woche die Fähre Richtung Genua besteigen.

 

Schreibe einen Kommentar