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Landamannalaugar
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  • Beitrag zuletzt geändert am:Februar 8, 2025
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Island 2020: Reisetagebuch

15. - 21. August

Patreksfjördur - Hvammstangi - Landamannalaugar

Das Wichtigste in Kürze:

Bye bye Westfjorde.
Wir freuen uns auf die Piste 586, eine Abkürzung und Alternative zur Nebenstrasse 59. Sie beginnt südlich von Budardalür. Jeder Kilometer dieser an und für sich leicht zu fahrenden Piste lohnt sich (inkl. Das nachgebaute Vikinger Hof in Eiriksstadir).

Wir durqueren wir das Hochland auf der F578 bis Husafell. Diese Fahrt bringt uns dem Süden von Island näher. Die Hochebene Arnavatnsheidi ist eine Sumpflandschaft mit tausenden von kleinen Seen – einige mit und einige ohne Namen aber alle begrüssen uns mit einer Kavallerie von Mücken.

Entlang der Piste liegen die Lavahöhlen Surtshellir und Stefanshellir und die die Wasserfälle von Hraunafossar. Die sich auf einer Länge von 900 m abstürzenden Wasserfälle und Kaskaden sind sehr hübsch und scheinen der Fantasie eines romantischen Kulissenbauers aus Hollywood zu entspringen.

Die Fahrt um den Hlödufell ist ein einziges Stop-and-go. Die Landschaft ist einfach atemberaubend. Überwältigt legen wir die vor uns liegenden Kilometer über extrem steile Berghänge in Richtung der Golden-Circle-Ebene zurück.

Nach der Hochlandpiste, nehmen wir die F349, die die zwei beeindruckende Wasserfälle Gullfoss und Haifoss miteinander verbindet, unter die Räder. Der wahre Hingucker  ist für uns der Haifoss (hoher Wasserfall). Er beeindruckt mit seiner Fallhöhe von 120 m. Seine Wassermassen werden senkrecht in die Tiefe gespült. In der aufgewirbelten Gischt entstehen wunderbare Regenbogen.

Obwohl Landamannalaugar DER Touristen-Magnet schlechthin ist, besuchen wir ihn trotzdem. Dass es sich um einen Hotspot handelt, ist sofort ersichtlich. Mindesten 100 Autos sind hier oben parkiert. Nur ein Bruchteil gehört den Campern, die anderen Gefährte stammen von Tagesausflüglern. Es ist ein Kommen und Gehen wie auf dem Hauptplatz von Marrakesch.

Die «Skali»-Wanderung (ca. 6-8 Stunden), führt uns tief in die Bergwelt von Landamannalaugar führt. Das stundenlange Durchstreifen dieser wunderbaren und abwechslungsreichen Welt löst eine beinahe meditative Ruhr in uns aus.

 

Samstag, 15. August
Wetter: Es bleibt schön und „warm“! Temperatur 12-18°C

Bye bye Westfjorde.
Heute freuen wir uns auf die Piste 586, eine Abkürzung und Alternative zur Nebenstrasse 59. Sie beginnt südlich von Budardalür. Jeder Kilometer dieser an und für sich leicht zu fahrenden Piste lohnt sich. Anfänglich schlängelt sie sich durch ein breites Tal entlang des Sees Haukadalvatn und vorbei an einem nachgebauten Vikinger Hof in Eiriksstadir. Danach wird die Piste etwas holpriger und krallt sich einen Berghang hinauf. Ein schöner Wasserfall versüsst unsere Mittagspause in der Nähe eines alten Schafsgeheges. Die Wiese um unseren Hannibal ist voll mit Blaubeerstauden. Wir lassen uns nicht zweimal bitten … am Ende der Schlemmerei sind Finger und Zunge blau gefärbt.

In Hvammstangi schlagen wir die Zelte für die Nacht auf. Da wir nach der langen Fahrt nach einem Kaffee lechzen, gönnen wir uns im Sjávarborg Restaurant einen Capuccino und ein Stück Rüeblitorte. Als wir den Teller mit dem daraufliegenden Tortenstück erhalten staunen wir nicht schlecht. Es ist gross, sehr gross. Obendrauf ein mindestens 2 cm dicker karamelisierter Zuckerguss mit gerösteten Haselnüssen sowie auf der Seite 1 Liter geschlagener Rahm mit Kakaopulver und Schokosplittern dekoriert. Gesamtgewicht geschätzt ein Pfund. Die Kalorien dieses Desserts würden genügen, um bis nach Reykjavik zu laufen (und das liegt viele viele Kilometer entfernt!).

Der Campingplatz ist wie leergefegt. Die Sommerferien der Isländer sind bald vorbei und so bleiben nur noch ein paar Touristen übrig. Der Aufenthaltsraum ist leer und wir geniessen für wieder einmal das Kochen in einer Küche.


Sonntag, 16. August
Wetter: Es bleibt schön und „warm“! Temperatur 12-18°C

Die Nacht war für einmal ruhig. Kein Wind, keine lärmigen Nachbarn … einfach ruhig. Nach dem Frühstück entscheiden wir uns für ein Bad im naheliegenden Schwimmbad. Es ist eine willkommene Gelegenheit, uns eine warme Dusche zu gönnen und gleichzeitig die restliche Infrastruktur zu geniessen, in unserem Fall … ein Jacuzzi (mit 40°C warmem Wasser!). Vom Genuss bleibt wenig übrig, als eine Isländerin mit dem Körpervolumen eines Eisberges, der locker die Titanic hätte versenken können, sich zu uns in den Jacuzzi gesellt. Fertig mit „social distancing“. Bereits ihr Umfang überwindet die empfohlenen 2m locker.

Heute durqueren wir das Hochland auf der F578 bis Husafell. Diese Fahrt bringt uns dem Süden von Island näher.

Das Hochland offenbart sich uns im Sonnenschein neu – 2014 hatten wir dies zwei Mal einmal im strömenden Regen und einmal mit bedecktem Himmel durchquert. Bevor die Piste stetig ansteigt begegnen wir einigen Anglern, die einerseits die Schotterstrasse mit Ihren hochmotorisierten und breit bereiften Offroadern sowie die Flüsse für Lachse unsicher machen. Die Hochebene Arnavatnsheidi ist eine Sumpflandschaft mit tausenden von kleinen Seen – einige mit und einige ohne Namen aber alle begrüssen uns mit einer Kavallerie von Mücken. Aus dem geplanten Stehlunch im Freien wird deshalb nichts. Während der ganzen Fahrt haben wir eine gute Sicht auf den Gletscherberg Eiriksjökull und den Gletscher Langjökull in der Ferne.

Allmählich geht die Landschaft in eine typische Lavalandschaft über, mit dickem Moos überzogene Lavafelder, deren Decke immer wieder auf- bzw. eingerissen ist. Entlang der Piste liegen die Lavahöhlen Surtshellir und Stefanshellir. Als wir diese, ausgerüstet mit einer Stirnlampe besuchen, präsentieren sich uns diese als Erdlöcher mit einer Schutthalde, die von unzähligen zerbrochenen Basaltstücken in der Form eines Würfelzuckers geschmückt wird. Ein surreales, sehr pittoreskes Bild.

Bevor wir uns am Abend auf dem Camping in Husafell installieren, wollen wir diesen Prachttag vollumfänglich nutzen und besuchen die Wasserfälle von Hraunafossar. Die sich auf einer Länge von 900 m abstürzenden Wasserfälle und Kaskaden sind sehr hübsch und scheinen der Fantasie eines romantischen Kulissenbauers aus Hollywood zu entspringen. Das hübsche Bild lässt sich nicht auf ein Foto bannen.

Das eigentliche Highlight wartet jedoch auf uns am Abend. Das zweite Mal in 32 Tagen Island gönnen wir uns einen Apéro sowie ein Nachtessen unter freiem, sonnigem Himmel. Vis à vis bietet sich uns ein kostenloses Spektakel: Eine isländische Familie hat Ihren ganzen Hausrat im Freien ausgelegt (sieht nach garage sales aus) und versucht bzw. die Frau versucht zu packen, während die Kinder sich auf dem Rasen austoben und der Mann ein paar ungewürzte Hamburger und Würste brät und diese genussvoll in sich hineinschiebt. Die ganze nicht sehr koordinierte Prozedur dauert mindestens zwei Stunden.


Montag, 17. August
Wetter: Es bleibt weiterhin schön und „warm“! Temperatur 10-16°C

Vom Anfang unserer Bewegung von Westen nach Osten über die F338 erwarten wir wenig. Die zügig zu befahrende Schotterstrasse wird als eher unspektakuläre Verbindung zwischen Kaldidalur und Kjölur beschrieben, die entlang von Hochspannungsleitungen führt, oder als Anfahrt zur lohnenswerten Route F337 entlang des Berges Hlödufell.

Wir erleben dies anders. Die kleinflächig aufgebrochen und mit Flechten überzogenen Lavafelder erinnern uns an die Häute von versteinerten Mammuts, Dinosauriern, Elefanten und Rhinozerosse, die teilweise wie auf der Oberfläche schwimmen. Die Strommasten, die in regelmässigen Abständen stramm stehen, bilden dazu einen interessanten und gänzlich schrägen Kontrast. Das Licht ist sanft und lässt die Natur in vielfältigen beigegrauen Farbtönen erscheinen. Ein für uns sehr wohltuendes Gemälde, zu schade um mit 40 Sachen über die Piste zu brettern. Wir tuckern mit gemütlichen knapp 20 km/h durch die Landschaft. Hannibal nimmt dies mit einem zufriedenen Brummen zur Kenntnis.

Die Fahrt um den Hlödufell ist ein einziges Stop-and-go. Die Landschaft ist abwechslungsreich und verlangt nach unzähligen Fotosafaris. Und dann tut sich vor uns eine ausgedehnte Sandebene auf, die in der Ferne von anthrazitfarbenen, sanften Hügeln begrenzt wird. Über uns der dunkelblaue mit den unterschiedlichsten Wolkenformationen durchzogene Himmel. Wir sind sprachlos vor Glück und brennen das Bild und die damit verbundenen überschwänglichen Emotionen für immer auf unserer Speicherplatte ein. Dies sind die Momente, die vier Wochen kaltes und feuchtes Wetter und die Anstrengungen des Reisens mehr als wettmachen.

Überwältigt legen wir die vor uns liegenden Kilometer über extrem steile Berghänge in Richtung der Golden-Circle-Ebene zurück. Von der Einsamkeit in den Touristentrubel, zum Alltag, zum Erdenleben.

Unten angekommen spüren wir die leiblichen Bedürfnisse: Duschen und Hunger stillen. Allerdings ist unser Kühlschrank fast leer. Auf der Suche nach gesunden und leckeren Zutaten werden uns wieder einmal die Grösse und die geringe Bevölkerungsdichte von Island vor Augen geführt. Bis wir eingekauft und einen Zeltplatz mit den entsprechenden sanitären Einrichtungen gefunden haben sind rund 2 Stunden vergangen und zusätzliche 60 – 70 km zurückgelegt.

In Laugarvatn übernachten wir auf dem lokalen Campingplatz.

 

 

Dienstag, 18. August

Wetter: Es ist der dritte Tag infolge schön und „recht warm“! Temperatur 10-16°C


Nach der Hochlandpiste von gestern, nehmen wir heute die F349, die die zwei beeindruckende Wasserfälle Gullfoss und  Haifoss miteinander verbindet, unter die Räder. Die Piste ist leicht zu befahren. Es gilt nur eine relativ schwierige Fuhrt zu überqueren. Spannend an der Wegführung ist, dass sie uns von der östlichen, touristenabgewandten Seite zum Gulfoss bringt. Ein kurzer Wanderweg durch meterhohe Lupinenfelder bringt uns zum Wasserfall. Zum Leid für uns Fotografen wird der Blick auf den breiten, in zwei Kaskaden abfallenden Wasserfall von der Gischt beeinträchtigt. Wir sind innerhalb weniger Augenblicke völlig durchnässt. Unter solchen Bedingungen kommt ein Auspacken der Fotokamera – obwohl sich sehr fotogen ein Regenbogen über der Sehenswürdigkeit bildet – nicht in Frage. Die Linse des Objektivs würde sich innerhalb von Sekunden mit Wassertropfen belegen, was später auf der Foto unweigerlich zu sehen und auch durch Photoshop nicht weg zu retuschieren wäre.

 

Der wahre Hingucker des Tages ist für uns der Haifoss (hoher Wasserfall). Er beeindruckt mit seiner Fallhöhe von 120 m. Seine Wassermassen werden senkrecht in die Tiefe gespült. In der aufgewirbelten Gischt entstehen wunderbare Regenbogen. Von oben betrachtet ist das ganze Spektakel einfach atemberaubend. Von unten (ein steiler Wanderweg führt uns bis zum Fuss des Wasserfalls) sprengt es jede Vorstellungskraft. Es erinnert uns an die Anfangsszene des Films Jurassicpark I. Wir knipsen beim Fotografieren unsere Finger wund. Was aber die Magie ausmacht ist … wir sind hier völlig alleine. Keine Touristen, die frech vor deiner Kamera stehen bleiben oder wie Affen auf die Findlinge am Flussrand klettern, um ein Selfie mit dem Wasserfall im Hintergrund zu machen. Anscheinend ist der stark abfallende Pfad hinunter und später der steile Anstieg bis zum Parkplatz hinauf für viele zu anstrengend. Gegen 16:00 Uhr ziehen plötzlich dunkle Wolken auf. Wir verabschieden uns rasch vom Haifoss und erklimmen im Schnelltempo die faszinierende Schlucht. Oben angekommen haben wir Schweissperlen auf der Stirn und es beginnt zu regnen.

 

Wir schlagen unsere Zelte in Fludir im strömenden Regen auf.


Mittwoch – Donnerstag 19./20. August
Wetter: Es regnet. Temperatur 10°C

Wir verlassen den Campingplatz auf der Suche nach einem Kaffe. Kein einfaches Unterfangen in COVID-19-Zeiten. Viele Restaurants sind, da es an Kundschaft fehlt, geschlossen. Die anderen haben seltsame Öffnungszeiten. Wir versuchen es zuerst bei der lokalen Bäckerei, geschlossen. Nächste Möglichkeit das Restaurant Fludir-Grund. Die Besitzerin schaut uns grimmig an. „Hände desinfizieren bitte!“. Wir leisten Folge. Etwas eingeschüchtert fragen wir, ob es möglich sei, zu frühstücken. „Nein, das Frühstück ist nur für die Gäste des Hotels!“ Ist die rasche Antwort. „Nicht einmal ein Kaffee?“ fragen wir etwas aufsässig. „Na gut“ antwortet die Besitzerin mit einem schiefen Blick. „1000 ISK pro Person kostet es … und ihr dürft ans Frühstücks-Buffet“. Wir frohlocken und zahlen (ca. 14 CHF für uns beide) ohne zu murren.

Das Frühstück ist das was man überall auf der Welt bekommt. Ein Continental Breakfast. Anonyme Schinkenscheiben, die so verschwitzt aussehen, als ob das arme Schwein, das dafür sein Leben hat lassen müssen, immer noch im Begriffe ist, dem Metzger davon zuspringen. Beim Käse dasselbe. Viereckige Käsescheiben im Gelb der Schweizerpost vegetieren trostlos zusammengeklebt und aufgestapelt unter der Käseglocke dahin. Drei Sorten Toast liegen in Reih und Glied im Brotkorb: Weisstoast, Toast mit Körnern (1 Korn/100kg) und Vollkorntoast. Ein Toaster der Grösse eines Fiat 500 tut seinen Job, ohne sich zu beklagen. Omnipräsente 8-Minuten-Eier sind in einer kalten Schale eingepfercht. Stammen diese von glücklichen Hühnern? Wohl kaum. Ein Paar Scheiben wässrige Tomaten und Gurken teilen sich eine Chromstahlplatte wie Körperteile auf einem Tisch der Gerichtsmedizin. Um das ganze Bild abzurunden, dürfen die klein geschnittenen Würstchen, die wie gelangweilte Hippos in einem Bohnen-Tomaten-Sugo baden (der Sugo sieht so fettig aus, man könnte meinen, ein Öltanker sei hier auf Grund gelaufen) und die scrumbled Eggs – welche uns an eine Schaumstoffmatratze, die durch den Fleischwolf gedreht wurde, erinnern – nicht fehlen … Dazu kommt eine einsame Schale mit Aprikosenkonfitüre. Nichtsdestotrotz , uns schmeckt das Frühstück. Allerweil besser als verhungern. Der Kaffee ist stark und tut unserer Seele gut.

Da die Wetterprognosen schlecht sind, entscheiden wir uns spontan, ein Studio für 2 Tagen zu mieten. Die „jetzt“ nicht mehr grimmige Besitzerin offeriert uns einen guten Deal, den wir nicht ablehnen können. Um 13:00 Uhr ziehen wir ein und schlafen erst „ne Runde“.


Freitag, 21. August
Wetter: Sonnenschein bei 14°C

Ziel des heutigen Tages ist Landamannalaugar, ein Touristen-Magnet. Hier werden die berühmten farbigen mit Schneefeldern durchsetzten Berge aufgenommen. Wir wählen die Piste F225. Sie ist leicht zu befahren und wird deshalb auch von Touristen mit kleinen Fahrzeugen benutzt. Das Verkehrsaufkommen ist dementsprechend gross. Das Panorama ist zwar interessant, haut uns jedoch nicht aus den Socken. Vielleicht liegt es an der Sonne, die die Farben der Berge ausbleicht oder an dem durch die Autos aufgewirbelten Staub, der noch lange in der Luft schwebt und die Sicht trübt.

Ca. 20 km vor Landamannalaugar zweigen wir von der F225 nach rechts ab. Diese nicht gekennzeichnete Piste (einzig eine Warntafel weist auf mögliche Auswaschungen hin) dringt 10 km tief ins Hochland ein und soll zu einem interessanten Berg führen. Zu Beginn läuft alles ohne Probleme. In einer sehr steilen Passage müssen wir die Untersetzungen einschalten, um vorwärts zu kommen. Und ausgerechnet in diesem sehr steilen Abschnitt taucht aus dem Nichts eine extrem tiefe Auswaschung auf, die quer zur Steigung verläuft und dies auch noch in einer Kurve.

Fabrizio steigt aus, sichert Hannibal mit Steinen und analysiert die Lage. Es sieht nicht gut aus. Hannibal müsste sich hier wie eine Schlangenfrau verrenken, um uns aus der Patsche zu helfen. Fabrizio steigt wieder ein und geht die möglichen Lösungsvarianten durch: Rückwärts fahren, einfach versuchen, Hannibal abfackeln und nach Hause gehen … Fabrizio steigt wieder aus und betrachtet die Auswaschung aus verschiedenen Blickwinkeln. Er steig wieder ein und schickt Sabine raus, damit sie sich ebenfalls ein Bild zur Lage verschafft. Sabine steigt wieder ein und schüttelt den Kopf: „Da kommen wir nicht mehr raus“ ist ihr Kommentar.

Wir gehen alle mögliche Varianten miteinander durch, streichen aber „das Abfackeln von Hannibal aus der Liste. Wir entscheiden uns, die Auswaschung langsam zu durchfahren. Sabine steigt wieder aus und versucht, Hannibal durch die erodierte Querfurche zu dirigieren. 1. Untersetzung rein und dann legen wir langsam und mit Bedacht los. Hannibal taucht sein Gesicht tief in die Auswaschung ein und kommt auf der anderen Seite in einer Schräglage hoch. Das rechte Vorderrad schwebt ca. 60 cm über der Piste in der Luft, das linke Hinterrad ist komplett unter die Karosserie gequetscht. Die Stossdämpfer knarren, eine Büchse Pintobohnen rollt aus einer Plastikbox heraus und knallt mit voller Kraft gegen die Hintertüre. Eine Wolke Staub wird aufgewirbelt … Hannibal bleibt in der Mitte des Hindernisses stecken. Wir fahren ein paar Meter zurück. Der Schreck ist auf Sabine‘s Gesicht klar abzulesen. Fabrizio‘s Hände sind feucht.

Das zweite Mal versuchen wir es mit eingeschalteter Differentialsperre (ja .. ja wir wissen es, wir hätten sie bereits zu Beginn einschalten können). Beim zweiten Versuch durchquert Hannibal die Auswaschung mit der gleichen Leichtigkeit wie ein heisser Messer die Butter durchschneidet.

Nach ca. 5km. entscheiden wir uns zur Umkehr. Die Piste wird immer schlechter und das Risiko, etwas zu beschädigen, ist gross. Auf dem Rückweg lässt sich die Auswaschung ohne grosse Unannehmlichkeiten überwinden. Glücklich, dass wir das Ganze ohne Schaden überlebt haben, gönnen wir uns eine kurze Mittagspause. Geschälte Karotten, Philadelphia-Weichkäse und gesunde Crackers.

Um ca. 16:00 Uhr treffen wir in Landamannalaugar ein. Dass es sich um einen Hotspot handelt, ist sofort ersichtlich. Mindesten 100 Autos sind hier oben parkiert. Nur ein Bruchteil gehört den Campern, die anderen Gefährte stammen von Tagesausflüglern. Es ist ein Kommen und Gehen wie auf dem Hauptplatz von Marrakesch. Zu erwähnen gilt es insbesondere die Gruppe von Hartgesottenen: die „Manpower-Touristen“. Radfahrer und Wanderer, die den ganzen Weg in den Nationalpark aus eigener Kraft zurückgelegt haben. Wir bewundern diese Menschen, ihre Ausdauer, ihr Wille, ihre Entschlossenheit … ihr Wahnsinn! Ihre Gesichter sind von den durchgemachten Strapazen gezeichnet. An den Frisuren sieht man, wer Radfahrer ist und wer nicht. Ihre Rucksäcke und Fahrradtaschen sind aus Gewichtsgründen nur mit dem Notwendigsten gepackt. Ihre Zelte, die an den Rändern mit Lavabröcken befestigt und gesichert sind (der Wind kann hier oben sehr stark blasen), sehen aus wie Stoff-Särge und das Ganze erinnert mich an einen farbigen Friedhof. Zu den kleinen Zelten kommt, dass der Boden sehr steinig ist und wir sehr stark bezweifeln, dass die dünnen Luftmatratzen genügend Comfort bieten.

Wir checken beim Informations-Center ein. 8000 ISK für 2 Nächte. Soweit der teuerste Campingplatz. Mit diesem Preis sind Wunder zu erwarten, so glaubten wir mindestens … Die gesamte Infrastruktur (WC, Duschen, Campingküche, Gemeinschaftsräume) ist dem grossen Touristen-Andrang nicht gewachsen und ist sichtlich in die Jahre gekommen. Dazu wurden infolge COVID-19 irrwitzige Sicherheitsregeln eingeführt, die letztendlich niemand befolgt … oder befolgen kann. Die 2-m-Abstandsregel wird kaum beachtet. Da zu wenig Toiletten zur Verfügung stehen, bilden sich Schlangen von „ungeduldig“ Wartenden in und vor dem WC-Trakt. Offiziell stehen nur eine handvoll Toiletten für die Campers, die Hüttengäste und die Tagestouristen zur Verfügung. Die Signalisation der Regeln ist dürftig. Kein Wunder, dass keiner sich daran hält. Um Duschen zu können, bekommt man, wie bei den Fluglotsen, einen sogenannten Time-Slot. „Die Campers dürfen nur von 06:00 – 08:00 Uhr und 16:00 – 18:00 Uhr duschen. Unmögliche Zeiten

Na ja … die dahinterstehende Logik ist schwer zu verstehen.

Nachdem wir Hannibal neben den anderen motorisierten Touristen eingereiht haben (treffen wir auf Barbara und Urs von „Reifenspuren“, mehr davon später), bereiten wir uns auf eine kurze (2-3 h) Wanderung vor. Diese wird uns über einen Bergkamm und entlang eines Feldes mit erstarrten und mit Moos und Flechten überwachsenen Lavakegel wieder zurück zum Campingplatz führen. Es windet bereits sehr stark. Als wir den höchsten Punkt erreicht haben, wird Fabrizio von einer Windböe erfasst, die ihn fast mitreist (Nota bene: Fabrizio ist ein Brocken von einem Mensch!). Von oben ist die Sicht … einfach magisch! Sie ist ein Vorbote dessen, was uns morgen erwarten wird. Die Sonne legt sich langsam hinter dem Horizont zu Bett und die bis anhin faden Farben beginnen zu leuchten. Nicht weit weg von uns grasen einige Schafe. Sie heissen den schönen Sonnenuntergang – oder vielleicht auch uns mit einem lauten „Mäh-mäh-mäh“ willkommen.

Als wir zu Hannibal zurückkehren, treffen wir Barbara und Urs (www.reisespuren.ch). Sie sind seit 5 Jahren unterwegs und mussten infolge COVID-19 ihren Aufenthalt in Singapur abrupt abbrechen. Wir tauschen uns aus. Da sie bereits überall dort gewesen sind, wo auch wir hin möchten, bombardieren wir sie mit Fragen über Fragen. Sie antworten mit viel Enthusiasmus und Geduld, eine Geduld, die Zeuge der Fähigkeit ist, sich den widrigsten Situationen hinzugeben und sie zu meistern. Barbara scheint die „energiegeladene“ Person der beiden zu sein. Ihre Augen funkeln und strahlen Neugierde und Lebensfreude aus. Sie verrät uns, dass sie während des Fahrens strickt. Gerade jetzt ist sie daran, einen isländischen Pullover für Urs zu „lismen“. Urs dagegen scheint ein sehr ruhiger und bedachter Mensch zu sein, spricht leise und gibt genaue Antworten. Hinter der Brille verstecken sich zwei schelmische Augen. Da es bereits sehr kalt geworden ist, müssen wir das Gespräch auf den nächsten Tag verschieben.

Die letzte Nacht war echt „chilly“. Der Himmel war klar und so konnte die Temperatur auf ein leicht unangenehmes Niveau sinken. Das Kondenswasser, das sich auf den Metallflächen von Hannibal gebildet hat, fühlt sich sehr unangenehm an, wie kalter Schweiss.

„Was steht heut auf dem Programm?“ fragen wir uns unisono nach dem Frühstück. „Wir gehen nochmals wandern“ antworteten wir fast gleichzeitig. Wir entscheiden uns für die Skali-Wanderung (ca. 6-8 Stunden), die uns tief in die Bergwelt von Landamannalaugar führt.

Die ersten paar Kilometer verlaufen einige Routenführungen parallel. Erst als sich die Wege teilen, begegnen wir immer weniger Wanderern und ein paar wenigen Bikern, die Ihre Fahrräder viele unendlich steile Anstiege und unwegsame Passagen tragen müssen. Fabrizio und ich verstehen den Reiz dieser sportlichen Gratwanderung nicht. Denn einmal auf dem Gipfel angelangt, wagen sie ihren heilen Hals, indem sie sich die fast senkrecht abfallenden rutschigen und engen Pfade wie Falken hinabstürzen.

Das stundenlange durchstreifen dieser wunderbaren und abwechslungsreichen Natur löst eine beinahe meditative Ruhr in uns aus. Wir geniessen die Weite, die abwechslungsreiche Natur und die Ruhe, die nur durch den stark pfeifenden Wind beeinträchtigt wird. Worte wechseln wir nur wenige. Nach etwa 5 ½ Stunden sehen wir in der Ebene Landamannalaugar vor uns auftauchen. Nun beginnt der Wettlauf um den Dusch-Time-Slot für Camper. Sabine durchquert das steinige unendlich breite Flussbett im Laufschritt. Fabrizio folgt mit langen Schritten. Um 17.45 Uhr hält Sabine den Lohn für unsere Anstrengung in den Händen, zwei Duschtickets, die wir bis 18.00 Uhr mit Genuss einlösen werden.

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